Autor | Daniel Chamovitz |
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Verlag | Hanser Verlag |
Umfang | 206 Seiten |
ISBN | 978-3-446-43501-8 |
Preis | Fr. 25.90 (UVP) |
Zu seiner Ehrenrettung: Als erstes weist er uns Leser darauf hin, dass wir, um die Wahrnehmungsleistungen von Pflanzen auch sachgerecht einschätzen zu können, unsere menschlichen Vorstellungen von Sinnesleistungen etwas dehnen müssen. So sind Sonnenblumen, trotz aller hoffnungsvollen Kinderzeichnungen, noch immer keine Augen gewachsen. Aber dass sie Licht wahrnehmen können, leuchtet ja eigentlich ein. Immerhin ernähren sie sich davon. Daniel Chamovitz klärt uns nun darüber auf, dass sie nicht nur die Sonne beobachten, sondern zudem Variationen von Licht erspähen, an denen unsere Augen scheitern. Sprich: Sie „sehen" mehr als wir, wenn auch nicht in Bildern. Genauso ist der Geruchssinn von Pflanzen nicht auf eine hübsche Nase, ihr Erinnerungsvermögen nicht auf ein Hirn angewiesen. Gleichwohl, wenn eine Venusfliegenfalle die winzige Ameise oder den Regentropfen ignoriert, angesichts der fetten Fliege aber zuschnappt, so geschieht das, weil in begrenztem Zeitabstand mehrere ihrer Fühlerborsten berührt wurden. Sie hat sich an die erste Berührung „erinnert". Um uns darzulegen, wie das funktioniert, taucht der Autor zwischendurch schon mal in die Tiefen von Pflanzenphysiologie, - chemie und – genetik ab, benimmt sich dabei jedoch nicht wie ein Lehrmeister, sondern wie ein gutgelaunter Reisebegleiter. Weitere Ausflugsziele: Wie orientiert sich die Pflanze im Raum? Bewegt sie sich? Fühlt sie es, wenn der Wind an ihr rüttelt? Wie wir feststellen, präsentieren sich Botaniker und all die anderen seriösen Forscher immer wieder mal fröhlich verspielt, wenn sie ihre Experimentanordnungen entwerfen und Antworten auf Fragen finden, die sie so gar nicht gestellt haben. Da lernen wir dann beispielsweise, dass die ironische amerikanische Beschimpfung von Ökos als den „treehuggers" eine unbeabsichtigte Berechtigung haben könnte. Immerhin stellen Pflanzen nach einer stärkeren Berührung kurzfristig das Wachstum ein, was darauf hindeutet, dass Bäume das Umarmt-Werden gar nicht so geniessen, wie wir es tun. Oder wir erfahren, dass Mozart den Pflanzen, ganz wider Erwarten, vollkommen egal ist. Wer von dieser Fülle an gehaltvollem botanischem Wissen noch nicht genug hat, wird ergänzend in die Grundzüge der Funktionsweise unseres menschlichen Wahrnehmungsapparats eingeführt. Das ist eine ganze Menge an Information, wie wir rückblickend feststellen... aber eben erst rückblickend. Auf der faszinierenden Tour durch die Botanik fühlten wir uns einfach nur bestens und freigiebig unterhalten. Und wer nun denkt, wir hätten mit dieser Rezension schon alle verblüffenden Einsichten und Erkenntnisse, die das Buch dem neugierigen Geist bereithält, ausgeplaudert... nö. Da ist noch eine ganze Menge mehr.
Da haben wir also schon wieder so ein unerwartet fesselndes, wunderbar reichhaltiges Pflanzenbuch, das uns in nur zwei, drei Stunden Lektüre unsere lebendige Welt ganz neu begreifen und wertschätzen lehrt. Ein erstes echtes Highlight unter den Frühjahrs-Neuerscheinungen.
Rezension: Sacha Rufer
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