Autor | Edward Osborne Wilson |
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Verlag | C. H. Beck |
Umfang | 384 Seiten |
ISBN | 978-3-406-64530-3 |
Preis | Fr. 32.90 (UVP) |
Wenn ein Biologe uns die Menschheitsgeschichte nachvollziehbar machen will, beginnt er selbstredend nicht bei den Sumerern oder im Paradies, sondern - spätestens - bei Australopithecus und einigen weiteren unserer noch deutlich affenschnauzigen Vorfahren. So auch E. O. Wilson, und er liefert bereits mit seiner prägnanten Einführung in sein Thema, in der er uns auf einen Ausflug zu den Spuren der Menschwerdung führt, eine kleine Spitzenleistung ab. Er trainiert hier die Stärken, die sich im ganzen restlichen Buch beweisen, und kann uns als kritischer und eigenständiger Denker für sich gewinnen, ohne darüber die Erkenntnisse und Erklärungsmodelle anderer Fachrichtungen zu vernachlässigen oder gar kleinzureden... Dann springt er recht abrupt noch ein ganzes Stück weiter zurück. Sein Spezialgebiet, die Ameisenforschung, macht einen gewichtigen Teil des Buches aus. Das mag einen verwundern, doch es war die Forschung an der Entstehungsgeschichte der spektakulären Spezialisierung der Ameisen, ihrem Sozialgefüge, die ihn auf die Fährte von gewichtigen Menschheitsfragen brachte. Was sind wir nun eigentlich, Egoisten oder Teamplayer? Beides, sagt E. O. Wilson, und führt uns im Zuge seiner Beweisführung ein in die Evolutionsgeschichte der Eusozialität (der "echten", generationenübergreifenden Sozialität), die wir mit den Ameisen, Bienen und nur wenigen anderen Lebewesen gemeinsam haben. Er will uns jedoch ausdrücklich nicht zu dem Schluss verleiten, dass das menschliche Gemeinwesen sich mit dem der Hautflügler vergleichen liesse oder gar ein Vorbild daran nehmen solle, sondern unseren Sonderweg herausstellen. Dafür setzt er uns auseinander, wie zwar innerhalb unserer sozialen Verbände, also ursprünglich den Stämmen, die "klassischen" evolutionären Taktiken des eigennützigen Fortpflanzungserfolgs greifen mögen. In der Konkurrenz unter den Stämmen behauptet sich jedoch jener, dessen Mitglieder zu Kooperation und einer Zurückstellung der persönlichen Gelüste umfassender befähigt sind. Er verteidigt in der Argumentation zu dieser Erkenntnis sehr beredt und fundiert die noch relativ junge These der Gruppenevolution. Die soziale Gruppe, so stellt er überzeugend dar, ist die treibende Kraft hinter dem – in der Prähistorie manchmal ausserordentlich knappen - Überlebenserfolg der Menschheit. Diese biologischen Anlagen zur Zusammenarbeit legt er im Abschluss noch schlüssig unseren Kulturleistungen zu Grunde. E. O. Wilson entwirft damit ein Bild des Menschen, das die schönen wie die unschönen Züge unserer menschlichen Natur vereint erklärt. Er steuert zugleich ein gewichtiges Argument bei, weshalb die philosophischen, religiösen und ökonomischen Disziplinen gut daran tun, sich bezüglich der biologischen Grundlagen der Menschwerdung kundig zu machen, wenn sie den Fortbestand der Menschheit zweckvoll unterstützen wollen.
Die Botschaft des Buches ist deutlich: Wir sind aus dem biologischen Umfeld unserer irdischen Ökosphäre heraus geschaffen, und wir sollten besser mit dieser klarkommen. Dem Widerspruch von Eigennutz und Altruismus werden wir dabei nicht entkommen, eine allgültige, in Stein gemeisselte Ethik scheint nicht in uns angelegt. Dennoch sind es klar die Tugenden der Kooperation und Empathie, die unseren evolutionären Erfolg ermöglicht haben, und E. O. Wilson empfiehlt uns dringend, diese in unserer gefährdeten Zeit auf globaler Ebene zu pflegen, zu stärken und auch über unsere menschlichen Angelegenheiten hinaus auszudehnen, um als Spezies eine Zukunft zu haben. Eine zweite Erde, so teilt er uns mit, werden wir wohl trotz aller technologischen und wissenschaftlichen Errungenschaften und Hoffnungen nicht zur Verfügung gestellt bekommen.
Rezension: Sacha Rufer
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