Autor | Joachim Radkau / Lothar Hahn |
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Verlag | oekom |
Umfang | 413 Seiten |
ISBN | 978-3-86581-315-2 |
Preis | Fr. 34.90 (UVP) |
Der bedeutende Umwelthistoriker Joachim Radkau schreibt damit nach dreissig Jahren seine vielzitierte Habilitationsschrift "Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft" fort. Er holte sich dafür den Physiker und ehemaligen Vorsitzenden der deutschen Reaktorsicherheitskommission Lothar Hahn ins Boot, der viel Insiderwissen beizusteuern hat, und kann das Buch nun in schöner Historikertradition "Aufstieg und Fall..." betiteln. Zudem hat er es diesmal von Beginn weg auf ein breites Publikum angelegt. Es präsentiert sich aber nicht aus diesem Grund als eine Mischung von Geschichtslehrstück, Kriminalroman und Farce; diese Dynamik scheint der Thematik innezuwohnen. Wer glaubt, die Kräfte und Mächte hinter der Installation und dem Beharren auf der Atomtechnologie recht zielsicher erahnen zu können, der wird sich indessen wundern. Eine der Erkenntnisse und Überraschungen, die das Buch uns zu bieten hat, ist, dass diese Kräfte sich viel uneinheitlicher zeigen, als man gemeinhin vermutet, und dass auch die profitstrebende Begeisterung der Akteure nur selten in tödliche Entschlossenheit mündete. Die Geschichte der Atomwirtschaft, der Brüter-Technologien und der nuklearen Störfälle präsentiert sich stattdessen als ein spannendes Verwirrspiel von Politik, Wissenschaft und Wirtschaftskräften, die sich mehr oder minder erfolgreich um eine endgültige Verantwortung herumdrücken. Eine weitere Erkenntnis, die dem öffentlichen Eindruck widersprechen mag, ist jene, dass der Atomausstieg sich schon eine ganze Weile abzeichnete, bevor er dann nach Fukushima von den Medien als "Schnellschuss" interpretiert wurde.
Die Autoren bemühen sich bei ihrer Aufarbeitung und Entwirrung dieses aufschlussreichen Parallelschauplatzes der deutschen Geschichte weniger um Neutralität, als man dies von historischen Schriften gewohnt ist. Dadurch, dass sie mit ihrer Meinung kaum hinterm Berg halten und sich immer wieder auch der komödiantischen Aspekte des Schauspiels bewusst zeigen, geht dem Werk aber nichts an Glaubwürdigkeit und Genauigkeit verloren. Es wird dadurch nur um eine emotionale Komponente bereichert, die dem Leser sehr willkommen ist. Die Autoren mögen den handelnden Personen, Behörden und Unternehmen zwar hier und da Motive und Gemütslagen unterstellen, die diese wahrscheinlich bestreiten würden, doch zu triumphierendem Spott lassen sie sich nicht hinreissen. Zu deutlich ist ihr Bestreben, uns die Möglichkeit zu schaffen, aus dieser Geschichte zu lernen. Das dürfte sich ganz allgemein, aber auch spezifisch bezüglich des derzeitigen Aufschwungs der Erneuerbaren Energien, als höchst nützliche Lektion erweisen. Auch für die Schweiz.
Rezension: Sacha Rufer
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