Buch «Die Kultur der Reparatur»

Buch «Die Kultur der Reparatur»

Die Rede von der Wegwerfgesellschaft fühlt sich zwar etwas veraltet an, sie ist aber so aktuell wie nie.

Auch wer nicht zu den Leuten gehört, die ein voll funktionstüchtiges Handy zu Gunsten des neuesten Modells wegschmeissen, wird vor der Reparatur eines iPad zurückschrecken. Dessen ungeachtet finden sich immer mehr reparaturwillige Laien zusammen, um der Obsoleszenz von Konsumgütern entgegenzuwirken. Wolfgang M. Heckls Buch ist hierzu Einführung und Manifest.

 

Autor  Wolfgang M. Heckl
Verlag  Hanser Verlag
Umfang  202 Seiten
ISBN  978-3-446-43678-7
Preis  Fr. 25.90 (UVP)

 

Wolfgang M. Heckl ist Physiker, aber für dieses Buch ist wohl seine Neigung, alles und jedes, das ihm kaputtgeht, selbst in Stand stellen zu wollen, die vordringlichere Qualifikation. Bezüglich einer Kultur der Reparatur offeriert er uns sein Fachwissen und die nötige Leidenschaft. Darüber hinaus versteht er es, diese Kultur in den grösseren Rahmen zu spannen und sie uns als eine ökologische Notwendigkeit und eine zielführende Gegenbewegung zum Gedankengut des quantitativen Wachstums verständlich zu machen. Auf dieser gesellschaftlichen Ebene erklärt er uns die Mechanismen einer Wirtschaftsweise und Konsumkultur, die ihre Produkte zur kurzlebigen Wegwerfware degradiert. Ganz egal, ob es sie nun gibt oder nicht, die „geplante Obsoleszenz" (also der absichtliche Einbau von Teilen in Konsumprodukte, die kurz nach Ablauf der Garantiefrist den Geist aufgeben): Tatsache ist, dass die meisten Hersteller der Reparaturfähigkeit ihrer Produkte wenig Aufmerksamkeit schenken. Sei es durch die Preisgestaltung, „da kommt Sie ein neuer Haartrockner billiger als die Reparatur", oder durch ein Design, an dem jeder Schraubenzieher verzweifelt. Damit geht ein Verlust an Ressourcen einher, den wir uns schlicht nicht mehr leisten können. Wolfgang M. Heckl klagt diesen Umstand gleichwohl nur verhalten ein und beschreibt ihn eher als ein Makel im System als eine Folge von bewussten Entscheidungen. Hier hätten wir auch einen schärferen Tonfall vertragen, doch der Absicht seines Buches läuft seine Zurückhaltung nicht zuwider. Es geht ihm nicht um Schuldzuweisungen. Er setzt seinen Schwerpunkt und Lösungsansatz auf die konstruktive Kenntnisnahme und Auseinandersetzung mit dem Problem.

Auf der persönlichen Ebene bedauert er den Verlust des Reparaturwillens als einen Verlust von elementaren menschlichen Fertigkeiten und Tugenden: Mit seinen Händen etwas anzufangen zu wissen; die Welt zu begreifen; Achtsamkeit und Sorgfalt zu üben. Reparieren, so behauptet er, macht darüber hinaus auch noch glücklich. Zur Untermauerung dieser These erzählt er uns von den Erfolgserlebnissen, dem Wissenszuwachs, der Herausforderung zur Kreativität und den zwischenmenschlichen Begegnungen, die seine Reparaturbegeisterung angestossen hat... alles Dinge, die die Hirnchemie nachweislich in Richtung Glücksgefühl wallen lassen. Diese lebhaften und leise selbstironischen Berichte zeichnen dann auch für den Unterhaltungswert seines Buches verantwortlich. Obwohl wir im Zuge der Lektüre nicht alle Abschweifungen als unmittelbar wertsteigernd erkannten, sind es doch sie, die dem gedankenvollen und informativen Buch schliesslich noch den persönlichen Charme hinzufügen. Wolfgang M. Heckl ist ein engagierter Fürsprecher der erwachenden Bewegung des Selbermachens, die in Deutschland immer mehr Leute in Repair-Cafés und Reparaturclubs zusammenführt, wo sie bewaffnet mit Lötkolben, Nähzeug und gegenseitig ergänzendem Fachwissen das kapitalistische Konsumkalkül torpedieren. Sein Buch belebt eine neue Wertschätzung der Dinge, mit denen wir uns so gerne umgeben, und es macht Mut und Lust, ihnen auch im Schadensfall beizustehen: Ganz gleich, ob wir einen Hammer von einer Schraubzwinge unterscheiden können.

Rezension: Sacha Rufer

 

 

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