Buch «Zehn Milliarden»

Buch «Zehn Milliarden»

„Es ist fünf vor zwölf", hiess es in den Achtzigern des letzten Jahrhunderts.

Jetzt, dreissig Jahre später, heisst es das immer noch. Was ist los? Ist der Zeiger hängengeblieben? Oder war alles doch nicht so schlimm? Stephen Emmott hat mal nachgeschaut, und er stellt fest: Nein, die Uhr läuft, und zwar munter über die Zwölf hinaus. Es ist alles schlimmer, als wir uns das gerne ausmalen.

 

Autor Stephen Emmott 
Verlag Suhrkamp Verlag
Umfang 204 Seiten
ISBN 978-3-518-42385-1
Preis Fr. 21.90 (UVP)

 

Stephen Emmotts Buch ist keines, das man für die Lektüre vor dem Einschlafen empfiehlt. Dennoch: Wer sonst keine Zeit findet, es zu lesen, lege es sich auf den Nachttisch. Es ist das erste, das in klaren, allgemeinverständlichen Worten ein zusammenhängendes Bild der Bedrängnisse malt, in die wir uns mittels Verbrennungsmotoren, Bevölkerungswachstum, Wasserverschwendung und Fleischhunger hineinmanövrierten. Stephen Emmott hat sich, bestens gerüstet mit wissenschaftlicher Skepsis und dem Mut zur ungeschminkten Wahrheit, einen Überblick der Fakten verschafft: Zum Klimawandel, zum Artensterben, zur Ressourcenlage usw. Er hat diese Fakten untereinander verwoben und in Bezug gesetzt zu einer recht konservativen Schätzung, wohin sich die menschliche Weltbevölkerung in reiner Anzahl bis zum Ende dieses Jahrhunderts bewegt: Die zehn Milliarden des Titels. Dann hat er ein wenig gerechnet. Dann hat er die Gesamtheit seiner (Er)Kenntnisse in kurze, schlichte Sätze gepackt und diese in sinnfälliger Reihung zu einem Buch verdichtet. Dieses Buch nun einen Weckruf zu nennen, wäre eine Untertreibung. Es ist eine Sirene. Stephen Emmott kommt im Ergebnis seiner Schätzungen und Analysen zu dem erschreckenden Schluss: Wir sind nicht zu retten. Zumindest nicht, wenn wir nicht radikal umsteuern. Mit radikal meint er radikal. Ein Baumwollhemd statt zehn. Kein Auto. Essen, wenn Hunger, nicht wenn Lust. Eine Klima- und Artenschutzpolitik, die ernst macht. Und das alles lieber gestern als erst heute.

Wenn nun jemand daherkommt, um vom Ende der Zeiten zu künden, leuchtet ja schnell mal ein mitfühlendes Lächeln in den Gesichtern auf. Der Weltuntergang! Tausendmal versprochen, nie eingetreten... Tatsächlich ist Alarmismus ein guter Grund, sich auf den eigenen Verstand zu besinnen. Kommt er aus der Politik, heisst es nach Lobbyisten schielen, kommt er aus der Religion, heisst es Motive hinterfragen. Kommt er aus der Wissenschaft, gilt beides. Doch selbst unter Berücksichtigung dieser Regel tut man sich herzlich schwer, sich den Komplexitätsforscher Stephen Emmott im härenen Gewand des Apokalypsenpredigers vorzustellen. Was er uns an lauteren Zahlen auftischt, lässt sich überprüfen, und es zeigt sich dann, dass sie einem Umfeld besonnener Rechnungen und sorgfältiger Erhebungen entstammen. Was er an Prognosen erstellt, atmet mehr Vorsicht als revolutionären Überschwang. Seine Überschau der grossen Zusammenhänge und beachtenswerten Details bleibt auch dann bedeutsam, wenn man sich bezüglich einiger seiner Lösungsvorschläge die Diskussion offenhält. Sein Buch ist zornig und unbequem. Dies übrigens auch für den empfehlungswilligen und restlos gewonnenen Rezensenten; denn kann nicht ein hypothetischer Leser, der bereits im sicheren Hafen des Fatalismus paddelt, sich angesichts dieser schlechten Nachricht in seiner „Nach mir die Sintflut"-Haltung gerechtfertigt sehen? Aber bangemachen gilt nicht. Dieses Buch muss gelesen werden. Am besten von jenen, die sich eine einigermassen lebenswerte Welt für ihre Kinder wünschen. Damit uns die netten Optimisten in ihrer Hoffnungsfreude nicht versehentlich ein Requiem singen.

Rezension: Sacha Rufer

 

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