Buch «Zoopolis»

Buch «Zoopolis»

Eine politische Theorie der Tierrechte

Auch wenn der Ausspruch vom Menschen als Krone der Schöpfung indessen etwas in Verruf geraten ist: Wir sehen uns selbst als privilegiertes Tier. Das Gedankengut von Grundrechten für Tiere steht deshalb beim Versuch, sich in den mentalen Mainstream vorzukämpfen, immer noch vor beachtlichen Hürden. Umso mehr Grund, diesem konsequent durchdachten und faszinierenden Buch zum Thema die gebührende Beachtung zu schenken.

 

Autor Sue Donaldson / Will Kymlicka 
Verlag  Suhrkamp Verlag
Umfang  608 Seiten
ISBN  978-3-518-58600-6
Preis  Fr. 47.90 (UVP)

 

Die Geschichte des Tierschutzes lässt sich als eine Erfolgsgeschichte lesen. Aussterbende Tierarten wurden gerettet, Zoos müssen sich mit viel Aufwand um eine artgerechte Haltung bemühen, der Einsatz der Reitgerte stösst auf breiten Widerwillen. Doch abseits dieser medial gut vermittelbaren Inhalte hat sich die Lage der Tiere inner- und ausserhalb der menschlichen Nutzung katastrophal verschlechtert; Massentierhaltung und Artensterben sind hier nur zwei Stichworte. Unsere moralischen Impulse durchdringen die Problematik offenbar nur an der Oberfläche. Um an ihre Wurzel zu gelangen, erarbeitet eine relativ überschaubare Bewegung von tiefer schürfenden Tierschützern die Idee von den Grund- bzw. Persönlichkeitsrechten von Tieren. Sie stellt sich dabei gewichtigen weltanschaulichen, ethischen, juristischen und politischen Fragestellungen. Was macht eine „Persönlichkeit" aus? Gibt es eine göttlich oder naturgesetzlich festgelegte Position des Menschen in Relation zu den anderen Tieren? Wie sind die Grenzen zwischen instinktiven und bewussten kognitiven Leistungen zu werten? Das sind unter anderem Fragen, die auch die Schriftstellerin Sue Donaldson und der politische Philosoph Will Kymlicka in ihrem Buch breit diskutieren, während sie eine politische Theorie der Tierrechte erarbeiten. Politisch nennen sie ihre Arbeit deshalb, da sie die Idee des Tierrechts nicht nur moralisch, sondern handfest juristisch etabliert sehen möchten. Das heisst: Staatsbürgerschaft für Nutztiere, Souveränität für Wildtiere, Einwohnerstatus für jene Tiere in unserer nahen Nachbarschaft. In politisch pragmatischem Sinn steigen sie dabei aus den freigeistigen Sphären des moralischen Elfenbeinturms herab in die krautige Wildnis von Biologie und Juristerei, um hier die Tauglichkeit ihrer Entwürfe auszuloten. Die daraus resultierende, wichtige neue Akzente setzende Theorie der Tierrechte verteidigen sie unterwegs noch freundlich, aber bestimmt gegen andere Gruppe von Tierschützern wie die Ökologisten, die lieber Lebensräume anstatt spezifischer Tiere schützen möchten.

Eine Sonderdiskussion an der Peripherie der umweltpolitischen Prioritäten also? Vielleicht. Aber – und das ist ein grosses aber – eine mit einem weitreichenden Potential, den Umweltschutzgedanken massgebender in unserer Gesellschaft zu etablieren. Natürlich wird die Vorstellung vom Schaf mit dem Pass so manchem absurd erscheinen. Doch die Menschheit hat schon fundamentalere Bewusstseinsveränderungen vollzogen. Ausserdem gelingt es den Autoren durchweg, uns in den grossen Fragen unseres Selbstverständnisses und unserer ethischen Kultur zu berühren. Das Thema, so zeigt sich, ist nicht nur der Tierschutz. Es ist die Lebensgemeinschaft, und wir darin. Uns, als Vertreter der oben genannten Ökologisten, konnten sie zwar nicht in allen Detailfragen überzeugen. Aber sie konnten uns ungeheuer bereichern und vielfach auch berichtigen. Rein formal lässt sich feststellen, dass die Autoren eine tiefe Liebe zu Fussnoten hegen. Das tut auch der Rezensent – sie erscheinen ihm wie viele kleine Bücher im Buch –, doch tatsächlich hätte sich das etwas überbordende Ausmass mit wenig Mehraufwand straffen und in den Text einarbeiten lassen. Einem ruhigeren Gedankenfluss wäre das entgegengekommen. Wie dem auch sei: Das Buch bleibt eine ungemein anregende und erstaunlich vielseitige Lektüre, die jedem denkenden und mitfühlenden Wesen auf Erden ans Herz gelegt sei. Es schiebt den Horizont vor sich her, als wäre dieser nicht mehr als eine Schneewehe.

Rezension: Sacha Rufer

 

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