Autor | Nick Lane |
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Verlag | Primus Verlag |
Umfang | 368 Seiten |
ISBN | 978-3-86312-361-1 |
Preis | Fr. 40.— (UVP) |
Dabei ist das Urteil "spannend" jemandem, der dem Buch zufällig begegnet und es an beliebiger Stelle aufschlägt, um ein paar Zeilen zu lesen, vielleicht nicht nachvollziehbar. Denn Nick Lane widersteht erfolgreich den kleinen - und üblicherweise absolut statthaften - Tricks von Autoren populärer Wissenschaftsliteratur, ihr Material mit persönlichen Anekdoten, originellen Thesen oder wohlfeilen Attraktionen aufzupeppen. So sind denn auch die "verblüffenden Erfindungen der Evolution", die uns der Untertitel verspricht, nicht etwa (wie vielleicht zu erwarten wäre) die Haftfüsse der Geckos oder die Sonarjagd der Delfine. Nick Lane ist Biochemiker, und er bleibt, trotz beeindruckender Beweise seiner Kenntnisse weit über diese Disziplin hinaus, bei seinen Leisten. Die Objekte seines Interesses sind Proteine, Zellen, die Desoxy- und die Ribonukleinsäure und überhaupt all das, was herauskommt, wenn Moleküle den Umgang mit anderen Molekülen suchen. Desgleichen sind die Dinge, die ihn verblüffen, eher selten auf unseren diesbezüglichen Listen. Photosynthese. Sehfähigkeit. Warmblütigkeit.
Er muss uns also erst einmal klar machen, was uns an Mitochondrien oder (ausserhalb der speziellen Abarten des Aufwands, den wir dafür treiben) an Sex verwundern sollte. Das gelingt ihm mit einer seltenen Leichtigkeit, und mehr noch: Es gelingt ihm, unser Interesse daran wachzuhalten, derweil er hart an seinem Thema bleibt. Er verschont uns nicht mit Fachterminologie, und schon gar nicht erliegt er der Versuchung, uns komplexe Zusammenhänge durch Simplifizierung verlockender anrichten zu wollen. Während seiner Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen Diskussionen zu interdisziplinär relevanten Streitfragen wie jene nach dem menschlichen und unmenschlichen Bewusstsein oder dem Sinn des Todes fordert er unsere intellektuelle Mitarbeit, kitzelt aber auch vergnügt unseren Ehrgeiz. Kurz: Sein Streifzug durchs Mirakel des Lebens - vom kleinen Baustein bis zum grossen Organismus und von der Wiege bis zur Bahre - bleibt uneingeschränkt kurzweilig, bereichernd, überraschend.
Wie er das macht? Wir haben keine Ahnung. Talent, könnten wir sagen, ohne damit etwas zu erklären. Oder einfach, was uns mehrmals durch den Kopf ging: Mann, kann der erzählen! Gut, es dürfte schon von Vorteil sein, vor der Lektüre mit den grundsätzlichsten Mechanismen der Evolution vertraut zu sein und den einen oder anderen Ausflug in die naturwissenschaftliche Denkweise unternommen zu haben. Doch dann wartet hier nicht nur ein Buch, das das gelegentliche Interesse an den Entwicklungen in Biologie, Molekulargenetik oder Evolutionstheorie formvollendet auf den aktuellen Stand bringt und uns auf die vielversprechendsten Spuren zum Ursprung des Lebens setzt, sondern zudem das trockene Verständnis mit Staunen über - und Bewunderung für - die Errungenschaften und die Buntheit des Lebens anreichert. Wir jedenfalls halten es für das lohnendste und befriedigendste Buch zur Evolution, das uns in den letzten Jahren - die gar nicht so arm daran waren - in die Finger geriet.
Rezension: Sacha Rufer
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