Autor | Christian Welzbacher (Hrsg.) |
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Verlag | Parthas Verlag Berlin |
Umfang | 238 Seiten |
ISBN | 978-3-86964-076-1 |
Preis | Fr. 50.90 (UVP) |
Während wir den kommenden Kickspielen in Brasilien von unserem Ökostandpunkt aus mit getrübter Vorfreude entgegen sehen, wollen wir stattdessen diesem Buch schon mal eine La-Ola-Welle spendieren. Die Entdeckung, Eroberung und Erforschung der brasilianischen Tier-, Pflanzen- und Menschenwelt ist sein Thema. Es versammelt eine abwechslungsreiche Auswahl von historischen Tagebucheinträgen, Briefen und Reiseschilderungen der Entdecker, zusammen mit herrlichem Bild- und Kartenmaterial aus der Epoche und von Exponaten verschiedener Brasiliensammlungen weltweit. Umrahmt wird dieser Überblick über die frühe europäische Brasilienrezeption mit wissenschaftlichen Beiträgen, die die verschiedenen dabei angerissenen Themenbereiche ausloten, einordnen und kommentieren. Die Autoren forschen hier nach den sozio-kulturellen, philosophischen, medizinischen und naturwissenschaftlichen Hintergründen und Auswirkungen der Entdeckungsbegeisterung in Europa und Brasilien und fahnden nach ihren Spuren in der bildenden Kunst. Im Angesicht dieser Darstellungen und Fantasien von überfliessender Vielfalt an Pflanzen, Tieren und „edlen Wilden" werden wir einerseits Zeugen einer aufblühenden romantischen Naturschwärmerei, die wir noch deutlich in uns nachhallen fühlen, und des begeisterten, ungehemmten Sammel- und Kartierungstriebs der Eroberer, Missionare und Forscher. Andererseits stossen wir auf frühe ökologische und soziale Bedenken bezüglich deren Herangehensweisen, ihren Begehrlichkeiten und den sich abzeichnenden Folgen.
Dass die koloniale Eroberungs- und Forscherlust nicht für alle Beteiligten zum Freudenfest geriet, ist den versammelten Experten also nicht entgangen. Sie nähern sich ihr mit einer kritischen Geisteshaltung, die die Verdienste und Leistungen eines Vespucci, Bougainville oder von Humboldt würdigt, ohne darüber ihre teilweise tief verschatteten Methoden und Konsequenzen begütigend ausleuchten zu wollen. Wo ähnlich angelegte Publikationen solche Widersprüche in Nebensätzen reflektieren, um dem Zauber des Exotischen die schwersten Dämpfer zu ersparen, erhebt sie dieses Buch zu einem Kernpunkt – und vermag gleichzeitig der Schönheit brasilianischer Kultur- und Naturschätze die Faszinationskraft zu belassen. Gleichwohl, oder gerade deswegen, sind es vornehmlich die aus den historischen Berichten klingenden Echos der Originalstimmen, die uns an dieser Sammlung begeistern. Wen es indessen nach einem visuellen Eindruck der frühen Brasiliendarstellung, nach naturkundlichen Zeichnungen, altem Kartenmaterial oder schlicht einem Hauch Exotik hungert, der wird sich ebenso gesättigt finden. Seine schmucke, liebevolle Gestaltung untermauert noch zusätzlich unsere Freude an diesem prachtvollen Buch.
Rezension: Sacha Rufer
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