Autor | Otfried Höffe |
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Verlag | C.H. Beck |
Umfang | 219 Seiten |
ISBN | 978-3-406-66001-6 |
Preis | Fr. 32.90 (UVP) |
Seit wir damals in unser kleines Abenteuer der Sichtung und Rezension umweltrelevanter Schriften starteten, ist ein Ruf im Hintergrund niemals verhallt: Jener nach einer neuen Ethik, die endlich auch die Interessen anderer Bewohner unseres Planeten als nur jene des Menschen ins Auge fasst. Otfried Höffe nimmt diesen Ruf nicht auf. Die Etablierung einer 'neuen' Ethik, gibt er zu bedenken, braucht nicht nur Zeit, die wir womöglich nicht haben, sondern ist sogar überflüssig. Den Beweis tritt er an, indem er in seinem Buch eine zeitgemässe Moral entwirft und zur Diskussion stellt, die sich an der klassischen Ethik und ihren Wortführern orientiert.
Im grossen Bogen betreibt er dabei eine Relativierung jener ökonomischen 'Moral', die in der Stärkung wirtschaftlichen Wettbewerbs ein Allheilmittel für alle irdischen Probleme sehen will. Doch in diesem losen Rahmen nimmt er Stellung zu all den Aufgabe- und Fragestellungen an die Ethik, der sich die aktuellen ökologischen und sozialen Bemühungen unumgänglich stellen müssen. Er erörtert in grosser Übersicht die Stellung des Menschen in der Natur, den gesellschaftlichen Umgang mit Grossrisiken wie Atomkraft, die Segnungen und Übel der Technik und die Verantwortung der ihr Zuarbeitenden, sogar die Frage nach der persönlichen Identität im Licht des Datenschutzes. Dabei zeigt sich Otfried Höffe nicht nur in philosophischen Obliegenheiten sattelfest, sondern schliesst auch urteilssicher die aktuellen Erkenntnisse anderer Kultur- und Naturwissenschaften in seine Folgerungen ein. Aus neun gut abgewogenen Bausteinen erstellt er dann eine differenzierte ökologische Ethik, die sich vor ausführlicher argumentierenden Konkurrenten nicht verstecken muss, bevor er im Schlussstreich noch eine glaubwürdige Verteidigung der Moral als ein Macht- und Fortschrittsfaktor und einen Aufruf zu einer prinzipienstarken Ethik anfügt. Er tut all dies mit einem zuverlässigen Gespür für einen Sprachgebrauch, der auch jenen Lesern, die nur sporadisch mit seinem spezifischen Fachbereich in Kontakt kommen, nachvollziehbar bleibt.
Als einer genau jener Leser will sich der Rezensent im Sinne einer Kritik nur zum Themenkomplex der Tierrechte äussern. Im Zusammenhang mit den Vorwürfen einer Anthropozentrik der moralischen Wertzuschreibungen, wie die Fürsprecher einer alternativen Bio- bzw. Pathozentrik sie äussern, weist Otfried Höffe ganz richtig darauf hin, dass eine andere als die menschbezogene Weltsicht einem Menschen schwer möglich ist. Ebenso schlüssig legt er dar, dass sich die Frage nach einer erweiterten Tierethik uns eben nur stellt, gerade weil wir die Stärkeren sind. Einzig wenn Koalas in unserer Position wären, würde sie sich stattdessen ihnen stellen... Dem folgend, sieht er eine radikale Umdeutung der überlieferten Naturhierarchie mit uns an der Spitze als kaum zu verteidigen.
Uns ist nun klar, dass sich die Philosophie um eine klare und 'wahre' Definition von operativen Begriffen sorgen muss, und wir haben verstanden, dass der Autor mit der Spitzenposition in der Hierarchie noch keine Privilegien verteilt. Doch nach unserem Verständnis verfolgt der Appell zur gleichberechtigten Einstufung des Menschen im ökologischen Umfeld eher pädagogische als philosophische Absichten. Eine gewisse Schwammigkeit der Begriffe wird in Kauf genommen, da zuvorderst der Reflex als zerstörerisch angesehen wird, mit dem unsere alltägliche Interpretation von Hierarchien einhergeht: Wer oben ist, hat alle Rechte. Die Problematisierung der Ansinnen von 'schwärmerischen' Tierschützern, die Otfried Höffe vornimmt, konnte uns deshalb nicht abschliessend überzeugen. Dies einwerfend, begrüssen wir sein Buch als einen vorzüglich kompetenten Beitrag zu einer Ethik, die die ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit annimmt und um einen ungemein wertvollen Vorrat an gewinnbringenden Impulsen bereichert.
Rezension: Sacha Rufer
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