Autor | Jan Paul Schutten / Floor Rieder (Ill.) |
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Verlag | Gerstenberg Verlag |
Umfang | 159 Seiten |
ISBN | 978-3-8369-5797-7 |
Preis | Fr. 34.60 (UVP) |
Zwei grosse Erzählungen über die Entstehung des Lebens zirkulieren in unserem Kulturkreis. In der einen erschafft ein Gott all die Tiger, Kühe, Bakterien, Unmengen Käfer sowie Adam und Eva in genau der Gestalt, die uns noch heute begegnet. In der anderen beobachtet ein Darwin Finken, brummelt etwas von 'natürlicher Zuchtwahl' in seinen Bart und erklärt dann, die Menschen würden von Primaten, die Primaten von Affen, die Affen von usw. usw… Schleimaalen abstammen und die lenkenden Kräfte dahinter hiessen Mutation und Selektion; "Zufall" in der geläufigsten Übersetzung. Die meisten Erwachsenen haben den jeweiligen Protagonisten dieser sich duellierenden Welterklärungen verschiedene Räume in ihrem Oberstübchen zugewiesen, doch im Geist von Kindern geraten die beiden schon mal unmittelbar aneinander und lassen sie dann unangenehme Fragen stellen. Fragen, denen sich der preisgekrönte niederländische Kommunikationswissenschaftler und Kinderbuchautor Jan Paul Schutten in seinem Buch mit Witz und Wonne annimmt.
Obwohl das Geplänkel der widerstreitenden Anschauungen im Hintergrund stets hörbar bleibt, erklärt uns Jan Paul Schutten in seinem Kindersachbuch vornehmlich die Evolution. Nicht nur, weil ihm diese näher läge, sondern weil ob ihrer Komplexität grundsätzlich mehr Erklärungsbedarf besteht und weil er sich nicht damit bescheiden mag, diesbezüglich nur ein paar Stichworte in den Raum zu werfen. So kommt es, dass er abseits der grundlegenden Mechanismen der natürlichen und der sexuellen Selektion, der Mutation, der Entwicklungs- und Mikrobiologie und der Genetik auch immer wieder auf Streitfragen eingeht, wie sie die Evolutionstheorie von ihren frühen Tagen bis heute begleiten. Wenn er dabei dann etwas weiter ausholen und uns auf kurze Abstecher in weitere wissenschaftliche Disziplinen wie die Geologie, die Paläontologie, die Astronomie oder die geschichtlichen Stationen der Evolutionstheorie entführen muss, packt er auch das in kindgerechte, leserfreundliche Häppchen. Trotz dieses immensen thematischen Umfangs und der sachgerechten Konzentriertheit, mit der er angegangen wird, bewahrt der Autor sich einen unbeschwerten Erzählton. Seine Vergleiche sind gern mal originell, doch durchaus zielführend, seine Beispiele anschaulich. Seine Rede vom Wunder des Lebens muss sich dieserart nicht auf magische Interventionen oder den ebenso begründungsfreien Zufall berufen, um den Zauber der Vielgestalt und des Einfallsreichtums unserer lebendigen Umwelt eindrücklich einzufangen und Staunen und Neugier zu wecken. Unterstützt wird sein erzählerisches Talent von der Bebilderung durch die Illustratorin Floor Rieder, die in ihren stilisiert-vergnüglichen Zeichnungen die Bedeutungsinhalte präzise herausdestiliert.
Insgesamt müssen wir uns also von hohen, 'erwachsenen' Ansprüchen verführen lassen, um gegenüber dem Buch kritikfähig zu bleiben. Da wir überzeugt sind, dass es durchaus auch Erwachsenen manche neue Entdeckung und Offenbarung bereithält, wollen wir das jetzt mal tun. In diesem Sinn können wir dann bemängeln, dass dem Autor die Abgrenzung dessen, was die Evolutionstheorie erklären kann und will, von dem, was sie nicht erklärt, nicht immer mit unzweifelhafter Genauigkeit gelingt. Dies, und auch der ein oder andere seiner Vergleiche, bietet Boden für ausweitende Interpretationen der Evolution, vor denen sich Biologen aus leidiger Erfahrung hüten. Zudem mutet uns Jan Paul Schuttens abschliessender Versuch einer Versöhnung von Wissenschaft und Glauben mehr unbeholfen und verlegen als einleuchtend an. Dabei bleibt uns aber durchaus einsichtig, wie die pädagogische Forderung nach Anschaulichkeit solche kleinen Ungenauigkeiten herausfordert, und auch des Autors eindeutig deklarierten persönlichen Standpunkt mögen wir ihm leichten Herzens belassen. Weshalb das Buch in seinem Ursprungsland gleich mal ein paar Sach- und Kinderbuchpreise abgeräumt hat, ist uns jedenfalls absolut nachvollziehbar, und bezüglich der Auszeichnungen, für die es sich nun auch bereits in der Übersetzung nominiert hat, kann es auf unsere Stimme zählen.
Rezension: Sacha Rufer
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