Autor | Ross Piper |
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Verlag | Konrad Theiss Verlag |
Umfang | 320 Seiten |
ISBN | 978-3-8062-2913-4 |
Preis | Fr. 66.90 (UVP) |
Bei der Visualisierung des Begriffs ‚Tier' tauchen, gemäss unseren individuellen Vorlieben, unterschiedliche Bilder vor unserem inneren Auge auf – ein Hund beispielsweise, ein Zebra oder ein Papagei. Manche Gemeinsamkeiten werden diese Bilder dennoch haben: Das imaginierte Tier wird wahrscheinlich über vier Gliedmassen, zwei Augen und ein Skelett verfügen. Sprich, es wird uns ähnlich sein. Was, mit einem objektiveren als unserem anthropozentrischen Auge betrachtet, höchst unfair ist. Denn die Wirbeltiere – geschweige denn die Säugetiere – machen nur einen verschwindend kleinen Teil der zoologischen Artenvielfalt unseres Planeten aus; der ganze Rest sind Insekten, Spinnen, Weich-, Mantel- und Nesseltiere, Schwämme oder Vertreter der vielfältigen Abstammungslinien von Würmern. Die Würdigung genau dieser Vielfalt abseits der ausgetretenen Pfade hat sich der Entomologe Ross Piper auf die Fahnen geschrieben.
So kommt es, dass in seinem Buch zwar schon mal kurz ein Hai über die Seite schwimmt, ein paar Schlangen und Amphibien aus den Fotos herausstaunen und auch ein Kamel als recht einsamer Vertreter der grösseren Landsäuger unten rechts herumsteht. Die restlichen Seiten aber präsentieren uns, in gerechter Anteilsmässigkeit, die bezaubernde, skurrile und verblüffende Vielgestaltigkeit und Farbenpracht all der kleinen, noch kleineren und winzigen Tiere, die unserer alltäglichen Aufmerksamkeit leider regelmässig entgehen. Spektakuläre Makro- und Unterwasseraufnahmen entführen uns in eine Welt, die in ihrer Fremdartigkeit und ihrem Einfallsreichtum auch die wilderen Vorstellungen unserer Literaten, Maler und Plastiker ausbootet. Es ist unsere Welt, natürlich, und Ross Piper wird nicht müde, sie uns mit Erläuterungen der Lebensweisen, physischen Anpassungen, der Fortpflanzungsgewohnheiten und Überlebenstricks von Seegurken, Bärtierchen, Schwebfliegen und Strudelwürmern noch wertvoller und schützenswerter zu machen. Da kann es dann, zugegeben, vorkommen, dass das ein oder andere Foto ein unwohliges Schaudern über unsere Haut treibt. Doch das sind im Gros der zwar ungewohnten, aber exzellenten und ästhetisch befriedigenden Abbildungen erstaunlich seltene Ausnahmen, und selbst dann lauert gewiss noch eine überraschende Erkenntnis im begleitenden Bildtext, in einem vertiefenden Informationskästchen oder in den detaillierten Ausführungen des Autors.
Für diese Ausführungen entfernt sich Ross Piper, schon mit dem Ziel der Präzision, nie weit von seiner zoologischen Fachsprache. Doch wer sich davon üblicherweise eher abschrecken als begeistern lässt, darf sogleich beruhigt sein. Auch wenn der Autor uns mal auf Erkundungen in Disziplinen wie Mikrobiologie, Morphologie oder Zellbiologie entführt, versteht er es, uns aufbauend in die spezifischen Begrifflichkeiten einzuführen und dabei einen ununterbrochenen Lesefluss aufrecht zu halten. Er tut das so unauffällig, wie er sein dem Buch zu Grunde liegendes Anliegen deutlich macht: Er möchte damit nicht nur unser Verständnis für unsere lebendige Umwelt ausweiten und vertiefen. Er möchte uns ebenfalls fassbar machen, wie wir unauflöslich in dieses wuselnde Leben eingebunden und davon abhängig sind. Das gelingt ihm, trotz aller scheinbaren Beiläufigkeit, eindrücklich.
Rezension: Sacha Rufer
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