Autor | Eric Chaline |
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Verlag | Haupt Verlag |
Umfang | 223 Seiten |
ISBN | 978-3-258-07855-7 |
Preis | Fr. 38.90 (UVP) |
Es gibt Bücher, die haben schon einen Stein im Brett, bevor man auch nur einen Satz daraus gelesen hat. Dies ist ein solches. Mit seinem Halbleinen-Einband und den griffigen Seiten ist es schon haptisch ein Vergnügen, und visuell setzt es mit seiner reichhaltigen Bebilderung, die sich ideenreich bei historischen Zeichnungen, in der Kunstgeschichte und bei einprägsamen Fotografien bedient, gleich noch einen obendrauf. Dass es dann zudem einiges Spannende unterhaltsam zu berichten weiss, tut diesem guten Eindruck schliesslich auch keinen Schaden. Der englische Soziologe Eric Chaline stellt uns in seinem Buch 50 Tiere vor, die die Welt veränderten, oder – wie es der Originaltitel noch etwas präziser umreisst (schliesslich 'verändern' alle Tiere die Welt, ständig) – die changed the course of history. Wobei mit history zwar meistenteils, aber nicht ausschliesslich die menschliche Geschichtsschreibung gemeint ist. Der Regenwurm beispielsweise kann für sich in Anspruch nehmen, nicht nur unseren Ackerbau, sondern schon weit zuvor die Naturgeschichte entscheidend mitgeprägt zu haben.
Wir finden in seiner Auswahl von kurzen und kurzweiligen, aber thematisch gleichwohl weit zwischen Kultur, Medizin, Wissenschaft und Wirtschaft aufgefächerten Porträts also nicht nur die offensichtlichen Anwärter wie Hund, Katze, Kuh und Schaf, die militärischen Regelveränderer Pferd und Elefant und Symboltiere wie Adler und Skarabäus, sondern auch unscheinbarere und ungeliebtere, wie die Wüstenheuschrecke und der Rattenfloh. Ebenfalls haben nicht alle vorgestellten Tiere die Geschichte verändert, indem sie uns zur Nahrung bzw. als Arbeitskraft dienten oder uns einfach nur genügend Unbill bereiteten, dass wir uns etwas einfallen liessen. Einige prägten auch 'nur' entscheidend unsere Sicht der Welt: Der Dodo beispielsweise, dessen Aussterben ein paar erste Vorkämpfer über den Wert nicht 'nützlicher' Arten nachgrübeln liess. Oder die Darwinfinken, die ihren Namensgeber massgeblich dazu verleiteten, uns schliesslich ein paar Schimpansen als Verwandte in die bis dahin noch heile, der menschlichen Gotteserwähltheit gewidmete Stube zu setzen. In genau diesem Sinne beweist uns das Buch die Position des Menschen in der biologischen Geschichte nicht als ein ober- oder gar ausserhalb, sondern als ein mittendrin, und unterläuft das doch immer noch weithin herrschende Herr-Knecht-Schema mit der einfachen Darstellung unserer vielfachen Abhängigkeit. Da wundert es dann auch nicht mehr, dass das letzte dargestellte Tier jene rätselhafte, aufrecht balancierende Primatenart mit dem etwas eitlen Namen Homo Sapiens ist.
Diese Botschaft ist uns zwar greifbar, doch das Buch trägt sie nicht vor sich her. Es ist ein Lesebuch, und eventuelle pädagogische Hintergedanken kuschen brav vor dem Anspruch des Infotainments. Ein Infotainment - das soll herausgestellt sein - das sich nicht an den heruntergewirtschafteten Massstäben der aktuell handelsüblichen Vertreter dieses Begriffs messen muss, sondern seine beiden Bestandteile gleichermassen ernst nimmt und befördert. Eric Chaline wird damit zwar keinen altgedienten Zoologen oder Historikern etwas erzählen, das diese nicht schon mal gehört hätten. Doch allen anderen bietet er mit seinem Buch ein würdiges Beispiel der edlen angelsächsischen Tradition des populären Sachbuchs und eine lohnende, die Bildung ergänzende, den Intellekt kitzelnde und den Horizont erweiternde Lektüre. Und der Seehund? Der diente – das können wir verraten, ohne einen allzu schmerzhaften Spoiler zu setzen – zusammen mit anderen Arten der Hundsrobben jenen Menschen als unverzichtbare Nahrung, die Amerika entdeckten. Nein, nicht Kolumbus. Auch nicht die Wikinger. Die anderen, die vor ihnen da waren.
Rezension: Sacha Rufer
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