Autor | Anne-Marie Butzek |
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Verlag | Westend Verlag |
Umfang | 222 Seiten |
ISBN | 978-3-86489-074-1 |
Preis | Fr. 21.90 (UVP) |
Anne-Marie Butzek ist Vegetarierin - aus Mitgefühl und aus ökologischen Überlegungen zu ähnlichen Teilen. Dennoch scheint ihr Buch getragen von der Absicht, sich zielsicher zwischen alle verfügbaren Stühle in der Ernährungsdiskussion zu setzen. Und von diesen gibt es ja einige. Veganismus und im Gegenzug der Karnivorismus sind nur die momentan lautesten, dann gibt es da noch Low-Carb, die Rohköstler, Fructarier, Urzeitdiät, Fair-Trade und Bio natürlich, Wildpflanzenküche... wovon nicht alle, aber doch viele im jeweiligen Einzelfall gern pseudoreligiöse Züge annehmen. Womit wir die Thematik ihres Buches schon grob abgesteckt hätten. Denn Anne-Marie Butzek ist nicht nur eine junge und anscheinend recht fröhliche Vegetarierin, sondern auch angetan mit einer skeptischen Grundhaltung. Diese macht sie gegen die weltanschaulich missionierenden Ambitionen der Ernährungsideologien misstrauisch und lässt sie dann auf ihre widersprüchlichen Versprechungen und Rechtfertigungen nicht mit passiver Konfusion, sondern mit Recherche reagieren. Die Themen Ökologie, Gesundheit und Ethik klopft sie auf die Stabilität der Argumente hauptsächlich des Veganismus ab, wobei sich aber Querverbindungen mit den zahlreichen anderen Betriebsanleitungen zur 'richtigen' Ernährung ganz selbstverständlich ergeben.
Wer sich, aufgrund des Titels, von dem Buch also nur eine rhetorisch aufgepeppte Absage an die grundsätzliche Bedeutsamkeit der Ernährungsdiskussion verspricht, wird enttäuscht. Die Autorin lässt keinen Zweifel daran, dass die Verflechtungen unserer Ernährungsgewohnheiten mit Umweltzerstörungen und gesundheitlichen und sozialen Missständen von unbedingter Relevanz für eine nachhaltigere Zukunftsgestaltung ist. Diese Verflechtungen macht sie uns ebenso kritisch wie fundiert einsichtig. Sie zweifelt aber daran, dass sich beispielsweise aus einer globalen Zuwendung zum Veganismus eine zwangsläufige Lösung dieser Problematiken ergäbe. Sie macht uns in unterhaltsamem Tonfall klar, welche systemischen - politischen und wirtschaftlichen - Hürden zwischen dem fleischlosen Dinner und der Menschheitsrettung liegen, und dass diese Hürden mit dem individuellen Entschluss zum Konsumbewusstsein nicht automatisch überwunden sind. Dabei schwingt hintergründig auch immer die Sorge mit, dass es sich bei den Ausformungen dieses Bewusstseins nur um flüchtige Lifestyle-Trends handeln könnte, die die zugrundeliegenden Fragestellungen gar nicht tiefgründiger angehen möchten. In der Folge wagt sie Fragen und Argumentationsreihen, die der ernährungsbewussten Leserschaft ebenso unbequem entgegentreten wie deren vermeintlich ignoranter Gegnerschaft.
Selbstredend, dass bei dieser Herangehensweise Widerspruch nicht ausbleibt. Auch nicht bei uns. So scheint uns, dass sie die biologistische Argumentationskeule (ihre Wortwahl, nicht unsere) etwas zu unsicher schwingt, als dass sie damit die Anliegen und Begründungen der Tierethik zielsicher bedrohte. Auch kann sie unsere Sympathie mit der veganen Bewegung, die doch ein jahrzehntelanges mulmiges Schweigen endlich wieder einmal aufrüttelt und zur Aktion wandelt, nicht grundsätzlich beschädigen. Das will sie aber wohl auch nicht. Sie macht uns stattdessen, dank ihrer tieferen Einsicht in die Szene, auf bedenkliche Rhetorik und wacklige Weltbilder in ihrem Umfeld aufmerksam, die es im Auge zu behalten gilt. In rein formaler Hinsicht gelingt Anne-Marie Butzek nicht immer, was wohl auch eine Absicht ihrer Auseinandersetzung war: Die Verwirrung um Begriffe, Begründungen und Behauptungen zu lichten. Der sehr persönliche Plauderton, den sie anschlägt - und den wir im allgemeinen als eine Stärke ihres Buches werten - verzettelt sich manchmal in den Querverbindungen zwischen den Themen oder reisst einen Diskussionsfaden an sich, den sie dann erst viel später ausführt.
Ebenfalls ist man versucht, es der Autorin anzukreiden, dass sie kaum einen Versuch startet, Lösungen anzubieten. Schon bei oberflächlicher Rückschau wird jedoch klar, dass es eher Redlichkeit als Faulheit ist, die uns diesbezüglich manchmal in der prekären Spannung zwischen zwei gleichermassen legitimen Argumenten hängen lässt. Es ist ja gerade ein Anliegen des Buches, uns diese Spannungen einsichtig zu machen, und das Aushalten dieser Spannung, ohne gleich zur nächsten beruhigenden Instantlösung zu greifen, ist eine Voraussetzung, um die Fragenkomplexe um Ernährung, Verteilungsgerechtigkeit, Agrarwende, die Konsumgesellschaft und die ihr zugrundeliegende Produktionsweise zuverlässig zu durchdringen. Anne-Marie Butzeks Buch ist ein mutiger Beitrag zu einer fundierten Ernährungsdiskussion, die sich nicht von Parolen oder flauer Gewissensberuhigung leiten lässt. Es ist nur folgerichtig, dass es sich den eingefleischten (sorry) Karnivoren ebenso anbietet wie den überzeugten Veganern - und dann alle gleichermassen herausfordert.
Rezension: Sacha Rufer
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