Buch «Der Unterschied»

Buch «Der Unterschied»

Was den Mensch zum Menschen macht

Sprache. Kultur. Moral. Werkzeuggebrauch. Selbst-Bewusstsein. All diese Stichworte wurden schon bemüht, um den Unterschied zwischen Mensch und Tier herauszuarbeiten, und sie alle wurden von neuen Beobachtungen angekränkelt. Ist der Mensch also – abseits von der simplen Tatsache, dass er wie jede andere Spezies eine einzigartige Spezies ist – gar nicht so einzigartig? Thomas Suddendorf findet auf diese Frage spannende und sehr differenzierte Antworten.

Autor Thomas Suddendorf 
Verlag  Berlin Verlag
Umfang  463 Seiten
ISBN  978-3-8270-1093-3
Preis  Fr. 32.90 (UVP)

 

Mit eigens dafür ausgewählten Zweigen nach Leckerbissen stochernde Rabenvögel, komplexe Farbsignale tauschende Tintenfische, und natürlich die Menschenaffen, die sich im Spiegel erkennen, Feldzüge führen, Werkzeugkulturen entwickeln: Ständig offenbaren sich der zoologischen Verhaltensforschung neue Erkenntnisse, die empfindlich am Selbstverständnis des Menschen rütteln. Andererseits bleibt unbestritten, dass wir als einzige Tierart Kathedralen und (hoffentlich) energieeffiziente Wohnsiedlungen bauen, mit handlichen Gerätchen quer um den Globus Tratsch austauschen und atemlos in einem abgedunkelten Saal zusammensitzen, um erfundenen Menschen auf Bühne oder Leinwand zuzuschauen, wie sie allerlei seltsame Werke tun. Wo ist nun also der Punkt, der es dem Schimpansen so schwer macht, uns diesbezüglich nachzueifern?

Der deutschstämmige, heute australische Entwicklungspsychologe Thomas Suddendorf erforscht zur möglichst präzisen Beantwortung dieser Frage die Evolution des menschlichen Geistes. Mit seinem Buch bringt er uns fachkundig auf den aktuellen Stand der Diskussion darüber, wo die spezifischen Alleinstellungsmerkmale der menschlichen Intelligenz zu verorten sind. Auf der Spur dahin durchstreift er nicht nur die Fachgebiete der Verhaltensbiologie, Psychologie und der Neurowissenschaften, sondern berichtet auch fesselnd und aufschlussreich über die verblüffenden kognitiven Leistungen unserer nächsten Verwandten, der Menschenaffen, und anderer schlauer Tiere. Er bewegt sich dabei selbstsicher und reflektiert zwischen den Polen, die die diesbezügliche Debatte prägen: Einerseits einer ‚romantischen' Haltung, die die Forschungsergebnisse zu den intellektuellen Fertigkeiten der Tiere möglichst weitreichend und menschennah interpretieren möchte, andererseits einer ‚spielverderberischen' Auslegung, die schlankere Deutungen bevorzugt.

Im Zuge dieser umfassenden Darstellung arbeitet er zwei spezifische menschliche Wesensmerkmale heraus, die er als entscheidend für unseren kognitiven Vorsprung zur Diskussion stellt: Unsere Fähigkeit, mentale ‚Zeitreisen' zu unternehmen, die uns die rückwirkende und vorausschauende Deutung unserer Umwelt und daraus den Entwurf kausaler Zusammenhänge und komplexer Planungsszenarien ermöglicht, sowie, ergänzend dazu, unser vitales Bedürfnis, uns mit anderen darüber auszutauschen. Letzteres nicht nur in Form von verbaler oder schriftlicher Kommunikation, sondern schon grundlegender in unserer unübertroffenen Fertigkeit des ‚Gedankenlesens', der empathischen Ahnung und Interpretation der Gedanken, Gefühle und Absichten anderer Menschen. Er zeigt dabei auf, dass sich diese menschlichen Eigenarten wahrscheinlich nicht als ein wundersamer Quantensprung, sondern emergent aus Vorstufen ergeben haben. Der Abstand von uns zum Gorilla, so macht er uns ausserdem klar, wurde zusätzlich – und womöglich gewaltsam – ausgeweitet durch das Aussterben der zahlreichen menschlichen Spezies, die die längste Zeit an der Seite des Homo Sapiens lebten.

Es ist eine überwältigende Fülle von relevanten Fakten, Beobachtungen, Gedanken und Hypothesen samt deren Verteidigung, die Thomas Suddendorf in sein Buch gepackt hat. Doch da er sich als ebenso gewiefter wie angenehmer Erzähler erweist, wird uns dieser thematische Umfang des Buches erst richtig klar, während wir – beispielsweise – eine Rezension dazu verfassen. Fast geht dann vergessen, dass er ganz beiläufig auch noch einige wertvolle, wohlwollend-kritische Überlegungen zu den Tierrechten und ein engagiertes Plädoyer für den Schutz der Menschenaffen da hinein gepackt hat. Er punktet schlichtweg in allen Kriterien, die uns als Massstäbe einfallen: Bezüglich der fast spielerischen Kompetenz und der fein abgewogenen Differenzierung, mit denen er uns sein detailliertes Wissen und seine Erkenntnisse vermittelt, genauso wie ob der heiteren Selbstverständlichkeit, mit der diese in ein unterhaltsames und bereicherndes Buch gegossen sind.

Rezension: Sacha Rufer

 

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