Autor | Susan Middleton |
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Verlag | Knesebeck Verlag |
Umfang | 254 Seiten |
ISBN | 978-3-86873-744-8 |
Preis | Fr. 66.90 (UVP) |
Unsere Ozeane, so wird gesagt, seien weniger erforscht als die Oberfläche des Mondes. Mag dies nun wahr sein oder nicht, eines jedenfalls lässt sich festhalten: Bezüglich der Entdeckung von Leben – auch höchst seltsamen Lebens, das sich in jedem Science-Fiction als erfrischend einfallsreiche Interpretation eines Ausserirdischen loben lassen dürfte – sind die Ozeane das vielversprechendere Forschungsgebiet. Sieben Jahre lang hat sich deshalb die renommierte Tierfotografin Susan Middleton Expeditionen zu unterschiedlichen Meereshabitaten im Pazifik angeschlossen und fotografiert, was ihr aus den Tiefen und den Korallenriffen an Schnecken, Würmern, Seesternen, Krabben, Quallen, Sepien und Kraken vor die Linse gesetzt wurde. Wobei die simple Bezeichnung ‚fotografiert' schon fast als Ehrverletzung gewertet werden müsste.
Schon auf der Vorwortseite schwimmt da eine Muschel, wie wir sie nur selten sehen: Aus einer ganz gewöhnlichen ovalen Muschelschale strecken sich Dutzende von orangen Tentakelchen. Einige Seiten weiter ein bläulich-golden schillernder Röhrenwurm, der an ein Farndickicht gemahnt. Und nochmals ein paar Seiten weiter ein grösstenteils durchsichtiger Kopffüssler, so unregelmässig getupft mit roten Flecken, dass sich der Verdacht regt, er habe hinter Jackson Pollock gestanden, als dieser zum Farbwurf ausholte. Wer nun glaubt, die spektakulärsten Aufnahmen seien verkaufseffizient im vordersten Teil des Buches versammelt: Nein, es geht noch weit über zweihundert Seiten im gleichen Stil weiter. Über 130 dieser skurrilen, prächtigen, farbenfrohen, filigranen, verrückten Wirbellosen tummeln sich in dem grosszügig angelegten Bildband und halten durchweg die Faszination aufrecht, die uns auf den ersten Seiten erfasst. Eine Faszination, die die Fotografin teilt und die sie mit nur wenigen, kurz gefassten Texteinschüben zur Anatomie, Evolution und Biodiversität ihrer Stars noch einmal wirkungsvoll zu vertiefen vermag, indem sie dabei unsere Aufmerksamkeit auf vordem unbeachtete Details lenkt.
Das Buch ist, soviel ist klarzustellen, ein Bildband, keine zoologische oder ökologische Abhandlung. Doch es ist einer jener Bildbände, die ihren Wert auf tiefere Grundlage als nur ästhetischen Anspruch bauen – wobei letzterer zum umfassenden Lob des Buches bereits ausreichen würde. Was uns Susan Middleton hier schenkt, ist Einblick in einen winzigen Ausschnitt des Artenreichtums unseres Planeten, der uns dennoch bereits fassungslos zurücklässt. Mit sorgsamer Geduld entdeckt sie die Schönheit, die Eigenart und die Würde von Kreaturen, die wir nur selten mit solchen Begriffen in Verbindung bringen. Da genügen dann die wenigen Worte, die sie über den Wert und den Schutz der Biodiversität verliert, bestens aus, um uns dafür bleibend zu sensibilisieren.
Rezension: Sacha Rufer
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