Autor | Peter Wohlleben / Margret Schneevoigt (Ill.) |
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Verlag | pala-verlag |
Umfang | 156 Seiten |
ISBN | 978-3-89566-337-6 |
Preis | Fr. 20.90 (UVP) |
Haben Tiere Gefühle? Nachdem ein anfechtbarer, da von dogmatischen Grundannahmen verunreinigter Rationalismus diese Frage mit striktem Nein beantwortete, bedurfte es einiger Zeit, bis sich Biologen und Philosophen damit wieder beschäftigen konnten, ohne den Verdacht der Schwärmerei zu provozieren. Als sie es dann wieder taten, stiessen sie auf eine Fülle von Beobachtungen, Hinweisen und blanken Fakten, die die umgekehrte Antwort rechtfertigen: Ein bemerkenswert klares Ja. Wie Verhaltensforschung, Biologie und Neurologie samt all ihren Zwischendisziplinen zu dieser Einsicht gelangen, wie sie sie erforschen und belegen und was sich daraus für unsere Selbstwahrnehmung an Konsequenzen herausdestillieren lässt – all das sind Themen des neuen Buches von Peter Wohlleben. Er verfolgt sie, im Zuge seines bewährten Bekenntnisses zur Laientauglichkeit, nicht nach Fachdisziplinen, sondern nach einfachen Fragestellungen.
Das scheue Reh also, oder das glückliche Huhn: Inwiefern lassen sich grundlegende Emotionen wie Angst, Liebe oder Glück an Tieren beobachten und beglaubigen? Und weiter: Wie steht es dahinter um ihre Intelligenz, ihre Kommunikation, ihre Kultur oder gar ihre Spiritualität? Im ersten Teil des Buches leitet uns Peter Wohlleben trittsicher durch die philosophischen und naturwissenschaftlichen Untiefen zwischen Interpretation und Beweismitteln all dieser Sachverhalte, die dann wiederkehrend auf festen Boden führen: Der Feststellung nämlich, dass die diesbezüglichen Unterschiede zwischen Mensch und Tier höchstens graduelle, niemals aber absolute sind. So kann er dann fundiert in den zweiten Teil des Buches vorstossen, in dem er die vielfältigen Beziehungen zwischen Tier und Mensch – im Alltag genauso wie in der Landwirtschaft oder dem Jagdwesen – hinterfragt, im Lichte der ethischen Implikationen der eben gewonnenen Erkenntnisse beleuchtet und bewertet. Die wissenschaftlichen Positionen verwebt er dabei so unterhaltsam und sicher mit persönlichen Überlegungen und Beobachtungen, dass sie einerseits stets unterscheidbar, andererseits aber in ganz ähnlichem Umfang reflektiert und ausgewogen bleiben.
Davon profitiert dann auch der letzte Abschnitt des Buches. Hier arbeitet er einer ethisch und ökologisch angemesseneren Grenzziehung zwischen Mensch und Tier zu und ruft zu einem respektvolleren und achtsameren Umgang mit diesen Tieren auf. Zwar entkommt er dabei nicht ganz der nebulösen Natur eines Begriffs wie ‚Achtsamkeit', aber er kann uns anhand seiner persönlichen Konsequenzen aus diesem Bekenntnis auch vorführen, dass dieses nicht in bequeme Beliebigkeit münden muss. Sein Buch ist ganz insgesamt kein radikales, sondern versucht sich an der hohen Kunst der Diplomatie und Konsensfindung im Minenfeld der Mensch-Tier-Beziehung. Da stellen wir dann fest, dass er bezüglich der Religiosität oder Spiritualität von Mensch bzw. Tier etwas zaghafter argumentiert als anderswo. Oder wir möchten, wenn er strikt konstatiert, dass dieselben Rechte für Tiere wie für Menschen unangemessen wären, schon mal dazwischenrufen: Aber Rechte, wenn auch möglicherweise nicht dieselben, sollten es schon sein.
Doch über diesen Detailfragen und weiterführenden Diskussionen verblasst nicht der Kern des Buches, den der Autor in einem kurzen Satz zusammenfasst: Die Natur hat für uns keine Extrawurst gebraten. Wir begrüssen und freuen uns über sein Buch als eine ebenso sachliche wie sympathisch persönliche Auslotung der Gewissensfragen, die sich aus diesem Bewusstsein ergeben.
Rezension: Sacha Rufer
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