Buch «Auswilderung»

Buch «Auswilderung»

Die Literatur wird zunehmend bevölkert von Affen. Nicht von Zirkusäffchen, Metapher-Affen, exotischem Beiwerk oder herzigen Kuscheltieren, sondern von richtigen, leibhaftigen Affen. Wir haben nichts dagegen.

Autor  Bettina Suleiman 
Verlag  Suhrkamp Nova
Umfang  265 Seiten
ISBN  978-3-518-46552-3
Preis  Fr. 21.90 (UVP)

 

In diesem Roman sind es Gorillas, die sich als vollwertige Protagonisten bewähren. Marina, Evolutionsforscherin aus und mit Leidenschaft, ergattert einen Traumjob und darf an ihnen forschen. Doch schon bald beginnt sie an den Menschen zu leiden. Sie hat genug von theoretischen Exkursen, von Karrieretaktik, Fördergeldbeschaffung, Publikationsehrgeiz und den enttäuschenden Beziehungen. Auch einige ihrer Ideale gerinnen in diesem Sud zur Bitterkeit. Zugleich findet sie, dem verhaltensforscherischen Berufscredo zum Trotz, zu immer feinfühligerer und verlässlicherer Bindung mit ihren Gorillas. So flieht sie dann bald in ein Projekt, das deren Auswilderung zum Ziel hat. Doch so ganz schlangenfrei ist auch dieses Paradies nicht; Menschen gibt es da genauso. Zudem scheinen die Gorillas sie gar nicht so sehr zu begehren, diese Sache mit der Entlassung in die Freiheit aus der geborgenen Gewohnheit. Und überhaupt: Ist es nicht Marina selbst, die sich da auswildert...?

Bettina Suleimans Roman lässt sich auf vielerlei Art lesen: Als herausfordernde, aber intelligente Anmerkung zur Tierrechtsdiskussion, als hintergründigen Einblick in den Wissenschaftsbetrieb, als bissigen Kommentar gegen verheuchelten Egoismus, als einfühlsamen Bericht von speziesübergreifender Kommunikation oder, ganz einfach, als Coming-of-Age einer doch eigentlich gar nicht mehr so jugendlichen Frau. Das ist dann- wir wollen es nicht verschweigen - in einigen Teilstrecken des inneren Monologs und Kommentars ein bisschen viel. Richtig spannend wird's darüber selten, und die Ich-Erzählung findet kaum einmal aus dem eigenen Kopf heraus.

Dass es der Geschichte dennoch gelang, uns bei der Stange zu halten und uns, auch ganz abseits des weitstreuenden Informationsgehalts, in bester Erinnerung zu bleiben, ist also keinem marktgerechten Spannungselement oder besonders gewitzter Narration geschuldet. Es verdankt sich zu guten Teilen der lebhaften Sprache der Autorin, die sich durchwegs an einem Alltagsjargon orientiert, an dessen aufgesetzten oder gar anbiedernden Hintergrundtönen indessen kunstvoll vorbeimogelt. Vor allem aber verantworten es die Protagonisten - ganz gleich ob Menschin oder Gorilla -, mit denen wir eine zwar nicht besonders emotionale, manchmal sogar leicht genervte, aber doch empathische und authentische Beziehung aufbauen - eine dieser fiktiven Beziehungen, die ganz real werden, wenn sie uns auch allerlei Monate nach der Lektüre hin und wieder durch den Kopf geistern. Das ist schon selten genug, wenn es sich bei selbigen Protagonisten ausschliesslich um Menschen handelt. Wenn dann auch noch Gorillas dazu zählen... So jedenfalls torpediert Bettina Suleiman gekonnt den Schlagbaum zwischen Mensch und Tier, um uns dort dann, im undefinierten Grenzland, an ehrlicher, fehlbarer und umso aufrechterer Menschlichkeit teilhaben zu lassen.

Rezension: Sacha Rufer

 

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