Buch «Regenwald»

Buch «Regenwald»

Ist es nur unser subjektiver Eindruck, oder gleiten die Regenwälder langsam aus dem Fokus der öffentlichkeitswirksamen Naturschutzbemühungen? Wenn ja, dann leider nicht, weil das Thema sich glimpflich erledigt hätte - ein Nachweis, den auch dieses Lesebuch führt, während es diesen Lebensraum in seiner ganzen historischen, kulturellen und ökologischen Vielfalt erforscht und konkretisiert.

 

Autor Christian Feest / Christine Kron (Hrsg.) 
Verlag Konrad Theiss
Umfang 304 Seiten
ISBN 978-3-8062-2799-4
Preis Fr. 39.90 (UVP)

 

Der tropische Regenwald ist ein jahrhundertealtes Faszinosum: Einstmals als sagenumwobene Heimstätte mythischer Tiere, Menschenfresser und Kopfjäger, dann als Spielplatz naturromantischer Projektionen wie den rousseauschen 'Edlen Wilden' mit Epigonen wie Mogli oder Tarzan und als ebenso sinnbildlicher wie realer Gefechtsplatz kolonisatorischer und sozialdarwinistischer Zivilisierungsbemühungen. Heute als Hotspot der Biodiversität, als Kohlenstoffsenke, als ethnologisches Forschungsfeld oder als Füllhorn pharmazeutischer und bionischer Entdeckungen. In der Gesamtbewegung lässt sich hierbei durchaus eine Entwicklung vom Mythos zum Faktenwissen ablesen. Und dennoch: Zeugt nicht unsere moderne mitteleuropäische Idee vom tropischen Regenwald als Vision verlorener Üppigkeit, als ökologisches Wunderland und als (fernes) Schlachtfeld des Klimaschutzes gegen den entgrenzten Kapitalismus von ähnlichen Projektionen, wie sie die altgriechischen Geografen, Francisco Pizarro oder Edgar Rice Burroughs bewegten? Anlass, diese Vorstellungen zu konkretisieren, bietet sich in jedem Fall.

Genau diese Konkretisierung unseres landläufigen Wissens um den Regenwald, seine Bewohner, Ökosysteme und Gefahren, Gefährdungen und Dienste leistet dieser Begleitband einer ambitionierten Ausstellung im bayrischen Rosenheim. Er versammelt zum Zweck einer wissenschaftlichen, aber allgemeinverständlichen Aufarbeitung des gewaltigen Themenkomplexes eine illustre Riege von qualifizierten Herausgebern und Autoren. Wobei die Klassifizierung der Publikation als 'Begleitband' auf eine Fährte führt, die wir vorsorglich verwischen wollen: Das Buch ist ein unabhängiges und umfassendes Informationswerk; ein beispielhaft attraktives noch dazu.

Ausgehend von einer aktuellen Darstellung des tropischen Regenwalds als Ökosystem und zoologischem bzw. botanischem Lebensraum führt es uns an seine menschlichen, indigenen Bewohner rund um den Erdball heran. Nachdem es uns im Zuge dessen bereits sensibilisierte für die vielgestaltigen Sehnsüchte und Nutzinteressen, die unseren Umgang mit diesem einzigartigen Lebensraum und seinen Bewohnern prägen, leuchtet es diese in ihrer historischen und soziokulturellen Dimension aus. Den nahtlos daraus fortgesetzten Mechanismen und Motiven der Verwertung, Verdrängung und Zerstörung, sowie den (nicht vordringlich optimistischen) Chancen der Bewahrung der Regenwälder ist dann das letzte Drittel des Buches gewidmet. Es leuchtet diesen vielseitigen Themenkomplex schlaglichtartig in Einzelaufsätzen aus, die sich aber, bei aller dadurch erreichten Tiefe, nie in Spezialisierungen verlieren.

Der Regenwald, das demonstriert uns das Werk abseits von Simplifizierungen, ist tatsächlich ein ganz besonderes, bedeutsames und fortgesetzt schützenswertes Stück Welt. Wir mögen darüber staunen, dass seine reiche Biodiversität keine Folge der Üppigkeit, sondern des Mangels ist, oder davon ernüchtert sein, dass die Bushmeat-Wilderei nicht erstrangig der übersättigten Gier reicher Kapitalisten, sondern den viel bescheideneren Lebensansprüchen Einheimischer geschuldet ist. Das Wissen um solche Zusammenhänge hilft, Schutzbemühungen und -versprechungen in eine realistische, zweckführende Perspektive zu rücken.

Daneben erneuert und vertieft der gehaltvoll bebilderte und kurzweilig gestaltete Band genau jenen Antrieb, der eine Bewahrung der letzten Regenwälder in Südamerika, in Afrika, Borneo oder Neuguinea erst ermöglichen wird: Die Faszination für einen bestrickend vielgestaltigen, verstörend-bezaubernden und kulturell wie ökologisch einmaligen Lebensraum.

Rezension: Sacha Rufer

 

 

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