Autor | Gillen D'Arcy Wood |
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Verlag | Konrad Theiss Verlag (WBG) |
Umfang | 336 Seiten |
ISBN | 978-3-8062-3015-4 |
Preis | Fr. 40.90 (UVP) |
Als Lord Byron im Jahre 1816 einen 'öden Himmel' als 'Sargtuch einer Welt' poetisierte, so leitete ihn dabei weniger der Wille zur Metapher als reale Beobachtung. Ein Jahr zuvor war im Indonesischen Archipel der Vulkan Tambora ausgebrochen: Die Folgen der um die Welt ziehende Aschewolke nach dieser geologischen Entladung waren Hungersnöte, Pandemien, Wirtschaftskrisen, Stürme und Fröste, soziale Unruhen sowie, wie gesehen, Poeten und Propheten, die den Weltuntergang nahen fühlten.
Gillen D'Arcy Wood hat sich der Herausforderung gestellt, diesen Nachwehen in ihrem globalen Umfang nachzuspüren. Er tut dies in allen klimatologischen, politischen, wirtschaftlichen oder medizinischen Belangen, fügt dies aber – für den Besitzer eines Lehrstuhls für Englisch an der University of Illinois nicht weiter verwunderlich - in einen weiten kultur- und literaturwissenschaftlichen Bezug. Das hat zwei erfreuliche Folgen.
Zum einen hält es das Buch über seinen gesamten Umfang spannend und emotional bewegend. Zum andern legt der amerikanische Autor hierbei einen Fokus auf Mary Shelley und ihren 'Frankenstein' - und da sich Mary und Percy Shelley in jenem fraglichen 'Jahr ohne Sommer', in dem sie ihren Roman schrieb, in der Schweiz aufhielten, erweitert sich dieser Fokus in bemerkenswertem Ausmass auf jene damalige Schweiz. Doch auch abseits dieses lokalen Bezugs vermag Gillen D'Arcy Wood zu fesseln und zu bewegen. Seine erzählerische Begabung bewahrt ihn davor, sich in seiner beträchtlichen Datenrecherche in unterschiedlichsten Themenbereichen rund um die Welt zu verlieren, und erlaubt ihm stattdessen, diese Fakten in ihrer menschlichen Dimension zu vermitteln. So hören wir dann nicht nur von den demografischen oder medizinischen Rohdaten einer Cholera-Epidemie, sondern marschieren mit einem sich um ganze Hundertschaften verkürzenden Heereszug durch Bengalen, oder wir werden erschütterte Zeugen der schrecklichen, zivilisationsverkümmernden Kraft des Hungers, wie sie damals Irland beutelte. Um darüber nicht in Voyeurismus abzugleiten (und uns auch theoretischere Ausführungen schmackhaft zu halten), übt sich der Autor in einer feinen, charmanten Ironie, die die Grenze zur Respektlosigkeit nie überschreitet. Er verschafft uns mit all diesen Mitteln einen weiten, lebendigen Überblick über das erforschte Jahr. Diesen stellt er in einen bis zur Aktualität erweiterten Kontext.
Dort findet das Buch dann seine Botschaft. Indem es uns in die Haut jener versetzt, die sich plötzlich einer gewichtigen klimatologischen Schwankung ausgesetzt fanden, und indem es uns den langjährigen Drachenschwanz ihrer Nachwirkungen unzweideutig aufzeigt, vermittelt es eine eindringliche Warnung vor jenem klimatischen Wandel, der sich heute bereits nicht mehr als Schwankung, sondern als zukünftige Konstante abzeichnet. Es ist ein grosses, kleines Buch, das uns Gillen D'Arcy Wood hier beschert, mit einer nur scheinbar isolierten Thematik, die sich unverhofft zu weiten Horizonten öffnet. Unsere begeisterte und energische Empfehlung!
Rezension: Sacha Rufer
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