Autor | Naomi Oreskes / Erik M. Conway |
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Verlag | oekom |
Umfang | 121 Seiten |
ISBN | 978-3-86851-747-1 |
Preis | Fr. 15.90 (UVP) |
Die Frage, die dem kleinen Büchlein vorsteht, ist dieselbe, die erst letzthin den Literaturwissenschaftler Stephen Henighan in seinem kompakten Pamphlet 'Unsere Welt in Gefahr' umtrieb: Weshalb zeigen wir uns so bemerkenswert unfähig, dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen? Mit seiner Analyse unseres konsumistischen Reflexverhaltens und überforderten Technikoptimismus argumentierte Stephen Henighan aus psychologischer und kulturhistorischer Sicht. Dem fügen die Autorin und der Autor des vielbeachteten Buches 'Die Machiavellis der Wissenschaft', Naomi Oreskes und Erik M. Conway, nun die politische, wirtschaftliche und wissenschaftshistorische Perspektive hinzu. Um einen nüchternen Überblick über die Lage zu gewinnen, begeben sie sich ins Jahr 2393 und etablieren ihre Betrachtung als eine Science-Fiction-Erzählung, in der sie, anlässlich des dreihundertsten Jahrestags des klimabedingten Kollapses der westlichen Zivilisation, rückblickend nach Erklärungen suchen.
Einen frühen Stolperer beschert uns dabei die Adelung ihres in drei übersichtlichen Kapiteln angelegten Essays als Science-Fiction. Um unseren eigenmächtigen Ansprüchen an dieses Genre gerecht zu werden, ist da dann doch zu wenig fiction in der science, und bezüglich ihrer nur bruchstückhaft ausgemalten futuristischen Gesellschaftsordnung liegt viel Potential brach. Die Einfühlung der AutorInnen in 'ihre' Zukunft zeigt sich ausserdem mehrfach belastet von zeitgenössischen Empfindlichkeiten. Macht aber nichts: Ist das Büchlein halt was Eigenes. Zur Bespannung mit einer Leinwand, auf der sich die Merkmale unseres klimawandelnden Zeitalters in überschaubaren Strichen porträtieren lassen, eignet sich der gewählte Rahmen jedenfalls vorzüglich.
Dieses Zeitalter, so erfahren wir, wird in der Zukunft als das 'penumbrische' - verschattete - charakterisiert und ist gekennzeichnet von quasireligiösem Marktfundamentalismus, Antiintellektualismus und einer Wissenschaft, die sich in den Ambitionen eines allzu dogmatischen Positivismus verrannt hat. Oder anders gesagt: Obwohl alle wissen, was vorgeht, darf sich der deregulierende Markt nichts davon anmerken lassen, um sich nicht den Zugang zu kostengünstigen Ressourcen selbst abzugraben, und antwortet - wo nicht mit ultimativer Leugnung - bestenfalls mit technologischen Heilsversprechungen. Die Politik wiederum zeigt sich in demokratischer Volksnähe unentschlossen zu einschneidendem Krisenmanagement und managt stattdessen die jeweilig aktuelle Katastrophe, während die Wissenschaft zwar kompetent vorausschaut und warnt, sich aber zugleich in den kleinteiligen Bedürfnissen seiner Disziplinen verzettelt und solcherart verletzbar macht. Dieses Gefüge bietet einige Werkzeuge für Reaktionen auf dringlichste Augenblicksbedrohungen, aber tabuisiert jene für tiefgreifendere Aktionen zur Bekämpfung des Klimawandels.
Manche der Darlegungen von Naomi Oreskes und Erik M. Conway, insbesondere jene der politischen Praktiken der Wissenschaftsdenunzierung, werden der Leserschaft der 'Machiavellis der Wissenschaft' bekannt vorkommen. Es sei jedoch kritisch angemerkt, dass die oben erwähnten 'überschaubaren Striche' in dem eingeschränkten Umfang des Essays oftmals schlicht grobe sind. Sie werden dann im angefügten Interview mit den AutorInnen verschiedentlich noch vertieft, doch als eine Zusammenfassung ihres durchschlagenden Vorgängerwerkes dient das kleine Buch nicht. Zu unserer herzlichen Empfehlung gelangt es aus anderen Gründen.
In bestürzender Ironie ist es China, das als dominanter Zivilisationsnachfolger dem 'Grossen Kollaps' dieser faktenbasierten Zukunftsvision entsteigt. Dies nicht auf Grund einer akuten Sinophilie der Verfasser, sondern als eine Warnung. Sie mahnen an, dass jene Ökodiktatur, die manche marktliberale Akteure als eine bereits existente verschreien (und damit paradoxerweise verharmlosen), sich tatsächlich am Horizont abzeichnet. Jedoch nicht als eine Folge von klimaschützerischen Regulationsbemühungen, sondern in der direkten Wirkung ihrer Vermeidung. Um den drohenden Schaden an Menschenleben, Umwelt und freier Gesellschaft abzumildern, bedarf es der dringenden Relativierung unserer Wirtschaftsdogmatik (mitsamt der in ihr angelegten Freiheitsdefinitionen) ebenso wie mancher Sanierungen der Detailorientierung unserer Wissenschaften. Wo diese ansetzen können und sollten, macht uns ihr Zukunftsentwurf als ein weitsichtiges Panorama der realen, gegenwärtigen Trends und Zusammenhänge deutlich und - bedeutsamer noch - diskutabel.
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