Autor | Heike Holdinghausen |
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Verlag | Westend Verlag |
Umfang | 223 Seiten |
ISBN | 978-3-86489-104-5 |
Preis | Fr. 24.50 (UVP) |
Wir alle tragen ja nur fair produzierte Kleidung aus ungiftig gefärbten Textilien aus nachhaltig angebauten Fasern... Oder? Eher nicht. Denn ganz unbesehen davon, dass uns die Arbeitsbedingungen von kambodschanischen oder georgischen Näherinnen und die verschmutzten Flüsse in China bewusst sein mögen, macht uns die Textilindustrie einen gewissensverträglichen Einkauf nicht leicht. Die Praktiken von Fair- und Greenwashing treiben hier immer neue Blüten, und die Orientierung im Dschungel von Güte- und Biosiegeln fällt selbst Eingeweihten schwer.
So kommt es nicht überraschend, was die Autorin und Journalistin Heike Holdinghausen als eine Hauptbotschaft ihres neuen Buches formuliert: Ein neues, einheitliches, globalen Standards verpflichtetes Textil-Ökolabel tut Not! Zu diesem Schluss kommt sie indessen nicht auf einem wohlfeilen Marsch durch die Kaufhäuser und Boutiquen ihrer Nachbarschaft, sondern auf Grund akribischer Recherchen in den labyrinthischen Produktionsketten des modebesessenen Industriezweigs. Dass dieser zudem gern mit Nebelbomben schmeisst, hat die Suche nach den realen Sachverhalten gewiss nicht begünstigt. Daraus entstanden ist ein gleichwohl aufgeräumtes, unaufgeregtes und urteilsfähiges Buch, das weit mehr zu bieten hat als Shoppingtipps. In einer weitläufigen Tour erkundet es die Produktions- und Handelswege unserer T-Shirts und Jeans, benennt die ökologischen und sozialen Folgen ihrer brutal konkurrenzierenden Preisgestaltung, durchleuchtet die zu ihrer Herstellung herangezogenen Materialien und Chemikalien, erkundet diesbezüglich neue Innovationen und Anwendungen und hinterfragt die zirkulierenden Ökobilanzen. Ganz so einfach, so lernen wir, ist die Fabrikation eines ökologisch verantwortungsvollen, fairen Blousons auch mit viel Idealismus und Tatkraft nicht. Davon unverdrossen findet die Autorin auch diese Unternehmen und Initiativen, um uns an ihrem Beispiel vielversprechende Alternativen aufzuzeigen.
Mit ihrem neuen Buch beweist uns Heike Holdinghausen (die bislang für zwei herausragende Publikationen zusammen mit Achim Reller unseren Beifall fand) dass sie auch den Alleingang bravourös meistert. Ihr Buch ist ein ebenso nüchternes wie persönliches. So sorgfältig sie all ihre Fakten, Hintergründe und Zusammenhänge belegt und darlegt, so zielsicher findet sie immer wieder Anlass, uns diese für unsere alltäglichen Entscheidungen relevant, im historischen Kontext anschaulich oder auch nur aus eigener Erfahrung zugänglich zu machen. Da darf dann auch mal das Tierchen Ironie das Näschen zeigen, ohne dass sie darüber ihrem differenzierten Zugang zur Thematik verlustig ginge.
"Was soll ich bloss anziehen?" Diese Frage steht über dem ersten Kapitel des Bandes. Nach Abschluss der Lektüre wissen wir es noch immer nicht zweifelsfrei. Das wäre jedoch, in diesem Fall, ein Anzeichen von fehlender Seriosität. Die meisten der Probleme, auf die Heike Holdinghausen ihren Finger legt, sind noch nicht ansatzweise gelöst, und manche davon sind über unsere Konsumentscheidungen auch kaum zu lösen. Was sie uns stattdessen anbietet, sind – abgesehen von der ohnehin wertvollen, präzisen Verortung dieser Wunden im globalen Textilgeschäft – eine Vielzahl von Inspirationen zu abweichendem, aber nichts weniger befriedigendem Einkaufsverhalten. Sie mag uns auch Mut machen. Denn die grossen Textilkonzerne, so zeigt sie auf, schielen mit regem Interesse auf jede Nische, die sich in ihrem gesättigten Markt auftut – und so auch eifersüchtig auf die wachsende Nachfrage nach ökologisch verträglicher, fair gehandelter Kleidung. Ein diesbezüglicher Fortschritt, das zeigt ihr Buch eindrucksvoll, wäre nicht nur unserem Gewissen, sondern dem gesamten Ökosystem Erde eine folgenreiche Erleichterung.
Rezension: Sacha Rufer
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