Buch «Der Fisch, der lieber eine Alge wäre»

Buch «Der Fisch, der lieber eine Alge wäre»

Das erstaunliche Zusammenleben von Tieren und Pflanzen

Der algenaffine Fisch: Das wäre dann – um gleich mal einen Spoiler zu setzen – der Grosse Fetzenfisch, ein Verwandter der Seepferdchen. Besonders viel an Spannung und Weiterleseimpuls nehmen wir Ewald Webers neuem Buch nicht, indem wir dies voraussagen. Er hat bei seiner Erkundung des vielfältigen Lebensnetzes unserer Erde noch eine mittlere Schiffsladung an Wow- und Aha-Effekten in petto.

Autor  Ewald Weber
Verlag  C.H. Beck
Umfang  244 Seiten
ISBN  978-3-406-66026-9
Preis  Fr. 30.50 (UVP)


Dass wir vom Schweizer Biologen Ewald Weber schon einmal ein Buch gelesen haben: Das war eine der Tatsachen, die sich in den trüben Tiefen unseres Erinnerungsvermögens noch geschickt verborgen hielt, als wir dieses hier zur Rezension anforderten. Das war gut so. Nicht auszudenken, wie es unser Urteilsvermögen vorgeprägt hätte, wäre uns beim Start der Lektüre schon fasslich gewesen, wie enthusiastisch wir ein vorheriges geliebt und gelobt hatten! So aber dürfen wir uns sicher sein, dass das begeisterte Lob, das sich hier gleich anfügen wird, auch tatsächlich diesem Buch und keiner tatterigen Nostalgie gewidmet ist.

Zu dämmern begann uns diese vorgängige Bekanntschaft gleichwohl schon früh. Die bedachtsame Art und Weise... so dachten wir... wie der Autor die grundlegenden Informationen zu Evolution und Koevolution, zu Biologie und Ökologie in seine spezifischen, spektakulären Einzelbetrachtungen zum Wechselspiel zwischen Pflanzen und Tieren verwebt... war da nicht ein Klingeln, irgendwo in unserem Hinterkopf? Wie er für die absonderlichsten Sachverhalte noch einen hübsch einfachen, einprägsamen Vergleich findet... Wir könnten schwören... Dass es dennoch eine ganze Weile dauerte, bis uns endlich das sprichwörtliche Lichtlein aufging, mag vielleicht an seinem Schreibstil liegen. Denn dieser bleibt – bei aller Hingabe, die ihm entschimmert – zurückhaltend und unprätentiös. Die wissenschaftliche Präzision und Differenziertheit ist Ewald Weber stets wichtiger, als seine Person in den Vordergrund zu spielen oder andere dekorative Effekte zu zünden. Er bedarf solcher Techniken auch nicht. Der ausdauernde Reigen von faszinierenden, überraschenden und aufschlussreichen Phänomenen und Kreaturen, die er uns beispielhaft aus dem Feld der Lebenszusammenhänge pflückt, ist allen Entertainment-Ansprüchen bestens gewachsen.

Worum also geht's? Um eine Pflanze, die sich ihre aus aufwändig herbeigelockten Insekten bestehende Nahrungsergänzung von einem Käfer vorverdauen lässt, und davon, wie solche Umkehrungen des geläufigen Kräfteverhältnisses vom Tier, das Pflanzen frisst, weiter verbreitet sein könnten, als wir gewärtigen. Es geht um Fische, die die Samen von Bäumen über den zugehörigen Waldboden ausstreuen. Um Blattläuse, um Biber, um Bienen und um Baumbeiner... sorry: Elefanten. Um noch eine Pflanze, die sich im Wohnungsbau für Ameisen engagiert, und darum, was sie davon hat: Wachsamere Forscher, beispielsweise (wenn auch wohl nicht vorrangig). Oder um noch andere Insekten, Dolchwespen diesmal, die dazu eingeladen werden, mit einer Orchidee zu kopulieren, und wie sie dann dereinst doch lernen, dass sie hier vergackeiert werden. Kurz: Um all das, was die Biologie im Schnittbereich von Botanik und Zoologie unter Begriffen wie Symbiose, Konkurrenz und Kooperation, Mimikry und Mimese ordnet. Es geht um das unendlich vielfältige Spiel von Beziehungen und Abhängigkeiten des Lebens auf unserem Planeten, feindseligen und friedfertigen, parasitischen und gegenseitig nutzbringenden; anschaulich und fesselnd vorgebracht.

Wobei ein ganz bestimmtes Tier natürlich nicht fehlen darf: Jenes nämlich, das die restliche irdische Belegschaft tollkühn nach 'Nützlichkeit' schied und für diesen chronischen Übermut indessen eine sich stetig verlängernde Rechnung präsentiert bekommt. Wie unübersichtlich unsere eigene Eingewobenheit in das natürliche Beziehungsgeflecht tatsächlich ist, ahnen wir schon eingangs des Buches, als Ewald Weber uns vom langsamen Niedergang eines Baums berichtet, der seines präferierten Samenverbreiters verlustig ging. Vertiefend ausgeführt wird es dann zum Schluss, wo er uns von dem gewaltigen Aufwand berichtet, den es bedeutet, einzelne Arten zu schützen. Die Lektion seines Buches haben wir da allerdings schon verinnerlicht: Dass es 'einzelne' Arten – im Sinne einer Lebensfähigkeit in Isolation – gar nicht gibt, und dass das ganze Lebensspiel nur funktioniert, solange Kreti und Pleti mitspielen dürfen. Wir danken Ewald Weber also nicht nur für ein weiteres wunderbares, rundum gelungenes Tier- und Pflanzenbuch, sondern auch für eine gleichsam beiläufige, aber haftende und lebendige Schulung zum Wert der natürlichen Vielfalt, die sich in einem so vermaledeit abstrakten Begriff ausdrückt: Biodiversität.

Rezension: Sacha Rufer

 

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