Autor | Andreas Kieling |
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Verlag | NG Malik (Piper) |
Umfang | 218 Seiten |
ISBN | 978-3-86690-440-8 |
Preis | Fr. 48.50 (UVP) |
Ein Bild: Grün und Blau. In der Ferne das Blau; verschleierte Berge unter geräumigem Himmel. Vor uns das Grün; die nadelbaumbestandene Landschaft mit den sich aus felsigen Höhenzügen herauslösenden Schlingen des Yukon. Und in der Mitte dieser prächtigen Weiten ein heller Fleck; ein einzelner sonnenbeschienener Abhang zum Fluss hin, wattig verpackt in tiefliegende Wolken. Ganz recht: Der Bildband des deutschen Tierfilmers Andreas Kieling ist zu wesentlichen Teilen auch ein Sehnsuchtsbuch - zugedacht einer Leserschaft, die es nach dem Ausbruch in eine ungezähmte Natur gelüstet. Der Autor erinnert sich darin seiner abenteuerlichen Aufenthalte und Reisen in Alaska und Kanada; der Gletscher der Glacier Bay, der einsamen Weiten der Tundra und der wilden Schönheit seines persönlichen Shangri-La, der Aleuten. Das sind durchaus achtbare Motive für einen Bildband. Gleichwohl sind wir glücklich, sagen zu können: Es ist auch ein Sehnsuchtsbuch. Doch längst nicht nur.
Da wären, zum Ersten, die Tierfotografien. Bären, verspricht uns der Titel. Und Bären gibt es dann auch zu sehen: Schwarzbären, Grizzlys und Eisbären, spielend, jagend, kuschelnd, kämpfend, faul im Baum herumhängend oder beim redlichen Versuch, ein Selfie zu schiessen. Doch wiewohl die erstrangige Empfehlung des Buches an Bärenliebhaber dadurch gerechtfertigt ist, ist da noch einiges mehr zu entdecken. Dallwidder, beispielsweise, oder Wölfe. Moschusochsen und Elche. Seeotter. Ziesel und Gelbschnabeleistaucher und Menschen und Weisskopfseeadler.
Man darf die ästhetischen Erwartungen an das Buch - angeregt von der Verbindung der prestigeträchtigen Zeitschrift National Geographic mit einem vielfach preisgekrönten Tierfilmer - durchaus hoch setzen. Sie werden nicht enttäuscht. Die breite Vielfalt von Fotos wechselt von spektakulären Bildzeugnissen zu prächtigen Tierporträts und so manchen originellen und launigen Schnappschüssen. Sie alle geben beredtes Zeugnis von jenen Eigenschaften, die Andreas Kieling wohl am deutlichsten auszeichnen: Seinem beherzten Willen, die intime Nähe der Tiere zu suchen, und dem kundigen Einfühlungsvermögen, das es ihm ermöglicht, eine solche auch tatsächlich zu finden.
Dieselben Eigenschaften der Sensibilität und der Leidenschaft, übersetzt in fassliche Wissensvermittlung im dichten Textteil des Bildbands, sind dann auch unser zweiter Grund, ihn als einen besonderen und kostbaren zu empfehlen. Es ist diesbezüglich zwar Andreas Kielings Eigenart, aus strikt persönlicher Perspektive zu erzählen. Wer darin einen Drang zur Selbstdarstellung entdecken will, dem widersprechen wir nicht. Den Verdacht stützt beispielsweise, dass es "sogar" ihm etwas "mulmig" wird in Situationen, da es unsereins um den Unterleib herum verräterisch warm würde, oder auch, dass die Zahl der Abbildungen seiner selbst und seiner Familie sich in ernsthafte Konkurrenz mit jenen der Tiere begibt. Wir sind jedoch unbedingt entschlossen, ihm das zu verzeihen. Dies einerseits, weil das, was er uns aus seinem Erinnerungsschatz anvertraut, glaubwürdig couragiert und durchwegs unterhaltsam ist. Hauptsächlich jedoch, da er es vermag, die Schilderungen seiner Wagestücke stets an reichhaltigen Informationsgehalt zu binden – und diesen so mittels lebendiger Eindrücke und Emotionen in uns zu verankern. Die gewonnenen Erkenntnisse – zur Tierwelt, den Lebensräumen und den ökologischen Gefährdungen des arktischen Amerika – finden sich anlässlich dieses Buches endlich in die gebührende Nachbarschaft mit seinen spektakulären und berührenden Tier- und Landschaftsfotografien gesetzt.
Rezension: Sacha Rufer
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