Autor | Bettina Dyttrich / Giorgio Hösli |
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Verlag | Rotpunktverlag |
Umfang | 285 Seiten |
ISBN | 978-3-85869-667-0 |
Preis | Fr. 38.-- (UVP) |
Das neue Buch der Journalistin und Autorin Bettina Dyttrich zur wachsenden Bewegung der solidarischen Landwirtschaft in der Schweiz ist ein idealistisches. Zugleich ist es ein nachdrücklich pragmatisches. Das geht so: Man nähert sich dem Untersuchungsgegenstand – in diesem Fall den Bauernhöfen, den solidarischen Agrargenossenschaften und den vielen unterschiedlichen Menschen, die sich diesen verpflichtet haben – mit viel Energie und Engagement. Man räumt dann weiterhin diesen Menschen jeden Raum ein, die Leserinnen an ihrer Motivation und ihrer Begeisterung teilhaben zu lassen. In Tuchfühlung mit dem Gegenstand hält man sich hingegen nicht damit auf, schwärmerische Bilder vom Sonnenaufgang über dem Nüsslisalat zu malen, sondern startet gleich mit kritischen Erkundigungen beispielsweise zum Konzept und der Effizienz der Organisationsstrukturen, zur Ökonomie der Agrarbetriebe, der Preisgestaltung ihrer Produkte oder den rechtlichen Tücken im Hintergrund.
So jedenfalls hält es Bettina Dyttrich im Textteil ihres Buches, und ganz ähnlich hält es der Fotograf Giorgio Hösli. Der stellt zwar mittels seiner Bilder keine hintergründigen Fragen, doch er konzentriert sie fast durchgängig auf die prosaischen Aspekte des Landlebens - auf Leute bei der Arbeit in Feld, Büro und Stall, auf geschäftiges Vieh und betriebsame Gerätschaften. Er führt damit – zumindest nach unserem Dafürhalten – den Beweis, dass eine Werbung für Bio-Landwirtschaft auch ausserhalb ihrer verbreiteten, realitätsfernen agrarromantischen Bildsprache glücken könnte.
Doch wahrscheinlich sollten wir erst einmal erläutern, wovon genau uns Autorin und Fotograf da berichten. Die Idee der solidarischen Landwirtschaft (auch mal regionale Vertragslandwirtschaft oder Community Supported Agriculture, CSA, genannt) ist die, dass Lebensmittelproduzenten in direkter Kooperation mit den Konsumenten arbeiten. Das bedeutet, dass sich die Konsumentinnen zur gelegentlichen oder auch ausgeweiteten Mitarbeit auf Hof und Feld verpflichten, mindestens aber, dass sie einen längerfristigen Vertrag zur Abnahme der erwirtschafteten Gemüse, Milch- oder Fleischprodukte eingehen.
Die Vorteile dieser Wirtschaftsweise sind mannigfaltig. Das Versprechen des mitspracheberechtigten Zugangs zu ökologisch produzierten Lebensmitteln bei kurzen Transportwegen spricht immer mehr Konsumentinnen an. Die Produzentinnen können sich im Gegenzug auf eine gesicherte Abnahme zu fairen Preisen verlassen. Dass anlässlich dieser Kooperation die Grenze zwischen Produzent und Konsument verschwimmt, ist ein durchaus angestrebter und geförderter Effekt. Er markiert die gesellschaftliche und pädagogische Tragweite dieser Bewegung, die sich in ihren Motiven zu ähnlichen Teilen zwischen politischen und ökologischen Anliegen verortet.
Der Schwerpunkt, den Bettina Dyttrich bei ihrer Erkundung eines runden Dutzend unterschiedlicher Kooperativen, Betrieben und Initiativen der CSA in der gesamten Schweiz setzt, ist indessen hauptsächlich ein politischer. Sie interessiert sich verstärkt für ihre Organisationsstrukturen und ihre Gestaltung der Arbeitsbeziehungen sowie für ihre alternativwirtschaftlichen Momente und Leitgedanken. Dieser politische Ansatz erweist sich angesichts dessen, dass sie das Modell der solidarischen Landwirtschaft nicht nur beschreiben, sondern auch fördern möchte, als der angemessene und zielführende. Ebenfalls in diesem Sinn gestalten Autorin und Fotograf ihr Buch nicht nur als ein stimmungsvolles Panorama dieser agrarischen Graswurzelbewegung, sondern versorgen uns durchwegs mit Tipps zu ihrer gewissenhaften juristischen Absicherung, ihrer ökonomischen Positionierung oder den Eckdaten betreffend der anzustrebenden Grösse der Produktionsflächen und des zu erwartenden Arbeitsaufwands. Ihr faszinierender Bericht paart nicht nur in sich selbst Idealismus mit erspriesslichem Pragmatismus, sondern vermag diese Paarung auch im Leser und der Leserin zu verankern. Er zündet eine kleine, belebende Flamme des Optimismus und des Veränderungswillens, die nicht nur unsere nationale Landwirtschaftspolitik, sondern auch unsere persönlichen Konsumgewohnheiten mit neuen Inspirationen erfrischt.
Rezension: Sacha Rufer
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