Buch «Die neue Gier»

Buch «Die neue Gier»

Warum wir immer massloser werden

Es beginnt bei Midas; jenem mythischen König der Antike, der schon vor so einiger Zeit erfahren musste, dass "man Geld nicht essen kann". Von hier aus führt uns das Buch in einer vielschichtigen Erkundung der vielgeliebten, vielgescholtenen Besessenheit vom Mehr, Mehr und Mehr an jenen Ort, wo die Diskussion um die Gier vornehmlich hingehört. Zu uns selbst.

Autor  Max Edelbacher / Valentina Bruns / Elmar Weixlbaumer
Verlag Goldegg Verlag
Umfang 187 Seiten
ISBN  978-3-902991-81-2
Preis  Fr. 26.90 (UVP)

 

Werden wir tatsächlich immer gieriger? Oder haben wir schlicht mehr Möglichkeiten hierzu? Ganz unbesehen des Postulats einer "neuen" Gier im Titel ihres Buches ist dies eine der Fragen, die sich der Polizeijurist Maximilian Edelbacher, die Psychologin Valentina Bruns und der Betriebswirt und Mathematiker Elmar Weixlbauer darin zu klären aufmachen. Sie neigen dabei - das will vorauseilend gepetzt sein - zur zweiten Interpretation. Weshalb sich die Rede von einer "neuen Gier" trotz dessen unbeschadet verteidigen lässt, ist eine der wesentlichen Botschaften ihres Buches.

Soweit sind wir indessen noch nicht. Erst einmal muss der Begriff der Gier sauber verortet und abgegrenzt sein und dann die Frage gestellt, woher sie überhaupt rührt, unsere Neigung zur Masslosigkeit und zum habenwollenden Kontrollverlust. Das ergänzende Zusammenspiel der Fachkompetenzen der Autorschaft zwischen Kriminalistik, Soziologie, Entwicklungspsychologie und Wirtschaftswissenschaften bereichert bereits diese erste Erörterung von Mechanismen, Nutzen und Schaden der Gier. In vielschichtiger Differenziertheit graben Autorin und Autoren nach ihren psychologischen, kulturhistorischen und evolutiven Wurzeln, erläuternd aufgelockert durch Fallbeispiele ihrer kriminellen Ausprägungen. Diese transdisziplinäre Betrachtung bewährt sich dann weiterhin in der Diskussion und Analyse ihrer zeitgenössischen ökonomischen Entgleisungen.

Das aktuelle Porträt der Gier, so veranschaulicht uns das Buch, zeigt ihr altes Gesicht. Was sich geändert hat, ist die Landschaft im Hintergrund. Denn während der Gier die längste Zeit natürliche Grenzen gesetzt waren, kann sie in der heutigen Finanzwirtschaft meistenteils abgekoppelt von der realen Begrenzung von Ressourcen herumfuhrwerken. Diese 'virtuelle' Anhäufung von Gütern, bzw. ihrem Sinnbild Geld, entzieht sie dann auch in folgenschwerer Konsequenz dem korrigierenden gesellschaftlichen Umfeld.

Das Buch befestigt damit stimmig seine Hypothese einer "neuen" Gier. Etwas entscheidend Neues im allgemeineren Sinn erzählt es uns damit nicht, und weitere kleine Makel sind auszumachen. Die breit eingestreuten kriminalistischen Fallgeschichten aus dem Erfahrungsschatz von Max Edelbacher schienen uns oftmals am Voyeurismus von Real-Crime-Geschichten anzudocken - was uns jedoch höchstens zu einem stilistischen, keinem moralischen Nörgeln anstiftet. Den Ausführungen zu den aktuellen ökonomischen Beweggründen der Gier hätte die Darstellung ihrer quasireligiösen Befestigung im amerikanisch-kapitalistischen Menschenbild durch Protagonisten Ayn-Rand'scher Prägung eine weitere erläuternde Dimension gegeben. (Wobei uns andererseits das Feindbild USA etwas zu eifrig gepflegt wird.) Ausserdem, aus unserem unmittelbaren Kompetenzkreis: Auch die Einschätzungen zu Egoismus bzw. Altruismus im Tierreich hätten wir gerne etwas bunter als in dem angetragenen Schwarz-Weiss verhandelt gefunden.

Doch wir wollen nicht gierig sein. Anders als so viele andere Bücher zur Thematik, die uns in den letzten Jahren begegneten, findet dieses endlich den zweckdienlichen Mittelweg zwischen den Polen der populistischen Empörung und der zaghaften Relativierung. Diese Ausrichtung des Buches auf sein breites Publikum von Betroffenen und Betreffenden - in seiner Sprache genauso wie seinem Sachgehalt - unterminiert prompt die meisten unserer Kritikpunkte. Auch sein vorerst etwas hilflos wirkender Appell zur Korrektur von Masslosigkeitsphänomenen mittels einer erneuerten moralischen Zivilisierung des Abendlandes zielt dann nutzbringend auf den Punkt, an den es uns lenken will: Dass eben nicht nur die Anderen - die Spekulanten, die Sportmagnaten, die Menschenhändler und Trickbetrüger - masslos, unfähig zur Zufriedenheit, gierig sind. Sondern dass wir alle es sind, potentiell, und deshalb auch alle Teil der potentiellen Lösung. Wir wollen jedenfalls jene positive Gier, auf die uns die österreichischen Autorinnen am Ende noch aufmerksam machen - die Neugier - zielgerichtet auf dieses Buch lenken. Sie findet hier bekömmliche und konstruktive Nahrung.

Noch Chips?

Rezension: Sacha Rufer

 

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