Autor | Tim Flannery |
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Verlag | S. Fischer Verlag |
Umfang | 233 Seiten |
ISBN | 978-3-596-03378-2 |
Preis | Fr. 23.90 (UVP) |
Die herausragenden 'alten' Bücher sind besprochen, die neuen noch nicht eingetroffen. Das gibt uns Raum, einem Buch die angemessene Aufmerksamkeit zu schenken, dessen erscheinungsnahe Besprechung an einigen kleinen Punkten scheiterte. Der Erste ist ein gänzlich unfairer: Ein anderes Buch erschien, nämlich "Selbstverbrennung" von Hans Joachim Schellnhuber. Jenes näherte sich dem Themenkomplex des anthropogenen Klimawandels umfassender und differenzierter an als dieses willentlich kurzgefasste des bekannten Zoologen und Klimaschützers Tim Flannery, so dass wir seiner Würdigung Vorrang gaben. Der zweite Punkt ist ein subjektiver. Zwar kann der Autor auch in diesem Buch wieder sein erzählerisches Talent ausspielen, das wir ja bereits vorgängig zu schätzen lernten. Es wird allerdings angegriffen von Tim Flannerys erheblichem Willen, uns auf die eigene Relevanz im Klimadiskurs hinzuweisen. Das ist durchaus nicht falsch - sein Buch "Wir Wettermacher" war ein einflussreiches -, stimmte uns in der Wiederholung aber etwas verdrossen. Der dritte Punkt war schliesslich, dass er sein Buch meistenteils in deutlicher Anlehnung an den Pariser Klimagipfel verfasste und damit seinen diesbezüglich formulierten Befürchtungen und Hoffnungen gleich selbst eine Deadline setzte.
Dass sich uns sein Buch jetzt bei der erstbesten Gelegenheit doch wieder zur Empfehlung aufdrängt, liegt indessen an einem vierten Punkt. Nachdem uns Tim Flannery in dessen erstem Drittel kurz auf den aktuellen Stand der Klimaentwicklung bringt und in seinem zweiten die Unzulänglichkeit der bisherigen Bemühungen deutlich macht, gibt er in seinem letzten Drittel der lauter werdenden Sorge Stimme, dass eine gedeihliche Klimastabilisierung nicht mehr einzig über eine Klimagasreduktion erreicht werden könne. Er legt uns deshalb ans Herz, Technologien der Kohlendioxidabscheidung und der Kohlendioxidrückhaltung nicht reflexartig als unstatthafte Versuche eines Geoengineering abzukanzeln. In der Folge bemüht er sich um eine kritische Einschätzung vieler hierzu angedachter, origineller und innovativer Ansätze aus Chemie, Biologie, Geologie, Materialwissenschaften oder Landwirtschaft. Dabei macht er uns einsichtig, dass nicht jede Bestrebung einer Einlagerung oder Einbindung von Kohlendioxid auf ein unverantwortliches Experiment mit den irdischen Ökosystemen hinauslaufen muss, und er vermag das Potential dieser Technologien ausgewogen und bei voller Anerkennung der fortgesetzten Notwendigkeit einer Emissionsreduktion zu erörtern. Es ist noch weitgehend unwägbares Neuland, auf das er sich hier hinauswagt, doch er tut das mit der gebührenden Vorsicht genauso wie mit informierter Sachkenntnis.
Neben diesem belangreichen Anstoss zur Relativierung von Befangenheiten gegenüber 'dem Geoengineering' ergänzt das Buch die Inspirationen zum Klimaschutz speziell für uns Mitteleuropäer. Tim Flannery ist Australier, und daher mag es rühren, dass er in seiner Aufarbeitung der Bemühungen um die Energie- und Klimawende einen beträchtlichen Fokus auch auf Asien, Ozeanien und Australien legt. Er rückt damit Fakten und Initiativen ins Licht, die in unseren deutschsprachigen Publikationen meist nur am Rand gestreift werden - die aber, ob der Globalität der Aufgabenstellung, keine geringere Beachtung verdienen. Wir empfehlen sein Buch als wichtigen und unvoreingenommenen Diskussionsbeitrag betreffs der zahlreichen Fragen, wie eine Klimawende trotz der fortgeschrittenen Belastung unserer irdischen Atmosphäre noch zu bewerkstelligen ist.
Rezension: Sacha Rufer
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