Buch «Global Gardening»

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Bioökonomie – Neuer Raubbau oder Wirtschaftsform der Zukunft?

In ihrem neuen Buch erörtert und diskutiert die Journalistin Christiane Grefe die Versprechen, Hoffnungen und Kontroversen der Bioökonomie. Bioökonomie? Falls Sie von der Bedeutung und dem Gehalt dieses Begriffs allenfalls ein unscharfes Bild haben: Sorgen Sie sich nicht. Genau das ist sein Problem. Christiane Grefe macht sich daran, es zu fokussieren.

Autor Christiane Grefe
Verlag Verlag Antje Kunstmann
Umfang 319 Seiten
ISBN 978-3-95614-060-0
Preis Fr. 31.90 (UVP)

 

Dies soll die Bioökonomie in jedem Fall sein: Ein Wirtschafts- und Produktionswerkzeug in eine nachhaltige Zukunft, ausgerichtet an biologischen Prozessen und Ressourcen. Nur; wie genau diese Ressourcen genutzt, diese Prozesse nachgebildet und überhaupt das Wertegefüge vom Menschen in der Natur interpretiert werden soll, darüber herrscht beträchtliche Meinungsverschiedenheit. So bedeutet Bioökonomie den einen biologische Landwirtschaft, Dezentralisierung und die demütige Fügung des Menschen in die lebendigen Kreisläufe. Den anderen bedeutet sie Präzisionslandwirtschaft, Gentechnologie und die industrielle Nutzbarmachung und Verwertung derselben lebendigen Kreisläufe. "Technokraten", lästern die einen, "Romantiker" die andern. Wobei sich zwischen diesen Extrempositionen natürlich eine Unzahl gemässigterer Auslegungen auftun, die sich dann aber nicht zwangsläufig zu grösserer Konsensfähigkeit berufen fühlen.

Wenn sich Christiane Grefe hier hineinbegibt, um uns einen Begriff der Absichten, Methoden, Möglichkeiten und bisherigen Errungenschaften all dieser Bioökonomien zu verschaffen, dann hat sie sich so einiges vorgenommen. Sie bewältigt es, indem sie sich auf ihren einflussreichsten Aspekt, die Agrarwirtschaft, konzentriert. Es gelingt ihr aber vor allem, indem sie sich mit schöner journalistischer Tugend selbst fast vollständig aus dem Geschehen subtrahiert und als allseits kritische Beobachterin auftritt. Auf ihrem Weg durch die Labore von Mikrobiologen, Chemikern und Informatikern, in die Konzernetagen und auf die Bauernhöfe trifft sie auf überraschende Lösungsansätze, umstrittene Entwicklungen und bedenkenswerte Argumente auf allen Seiten der Debatte. Sie beäugt und erwägt sie misstrauisch und eröffnet uns solcherart ein Gesamtbild, das bestens geeignet ist, uns von eigenen Vorurteilen und Generalisierungen zu lösen.

Wohl: Auch Christiane Grefes redliche Beflissenheit um Neutralität findet Grenzen. So ist festzustellen, dass sich ihr Argwohn gegen die grossen Agrarkonzerne deutlicher formuliert als etwa jener gegen Kleinbauerninitiativen. Das hindert sie dann aber nicht, die Vertreter jeder Seite frei zu Wort kommen zu lassen. Daneben stellt sie kurze Aufsätze von Experten in den Text und organisiert Streitgespräche. Diese sind dann ungeschönt genau das: Streitgespräche, und mithin eines der spannendsten und lehrreichsten Elemente des ohnehin fesselnden und höchst informativen Buches.

Dabei sind die aufgeworfenen Fragen – ob wir beispielsweise die Hochleistungslandwirtschaft mit Totalherbiziden und pflanzenhegender Robotik wollen (und brauchen) oder doch eher die Permakultur, Mischkulturen und Kleinbauerntum – alles andere als akademisches Hickhack. Sie sind die Flaggzeichen einer Weichenstellung, über deren Ausrichtung wir uns dringlich einigen müssen. Der Zug rollt längst. Im Hintergrund ihrer detaillierten und faktenkundigen Darlegung schwelt die grundsätzlichere Frage: Welche Natur wollen, welche meinen wir? Beiläufig erleben wir da, wie sich die Denkweisen von 'Technokraten' und 'Romantikern' unterscheiden. Da sind die legitime, aber fast ausschliessliche Konzentration auf den Menschen und seine Bedürfnisse auf der einen Seite, ein umfassenderes Verständnis der Eigenwürde auch des nichtmenschlichen Lebens auf der anderen. Und wir sehen: Ohne einen Ausbruch aus dem anthropozentrischen Weltbild – und von anderer Seite jenem aus der Technophobie und Askeseethik – reden die Kontrahenten oft flüssig aneinander vorbei.

Es ist nun nicht Ziel des Buches, diesen Bruch leichtfertig zu überbrücken oder die Kontroversen bereits beschwichtigend zu harmonisieren. Es will die Debatte einer breiteren Öffentlichkeit angelegen machen. Dass ihm dies gelingt, ist ihm zu wünschen. Es ist ein wichtiges Buch. Wir erlangen dadurch auf breiter Front die Fähigkeit, Chancen und Risiken der Bioökonomie abzuwägen und uns daraus eine reflektierte Vision einer nachhaltigen Entwicklung zusammenzufügen.

 Rezension: Sacha Rufer

 

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