Autor | Mark-Stefan Tietze |
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Verlag | Rowohlt Berlin Verlag |
Umfang | 237 Seiten |
ISBN | 978-3-87134-827-3 |
Preis | Fr. 21.90 (UVP) |
Es war so: Staunend verunsichert von der schleichenden Unterwanderung seines Wohnviertels durch Verfechter eines fleischlosen Lebensstils verliebt sich Mark-Stefan Tietze eines Morgens in das samtäugige und grünhaarige Titelmodell einer den Veganismus preisenden Szene-Zeitschrift. Er tut daraufhin zielstrebig das, was Menschen (und anscheinend auch Satiriker) manchmal tun, um den gefühlten Abstand zur/zum platonisch Angebeteten zu minimieren. Er beschliesst, sie nachzuahmen. Das startet den Selbstversuch des fleischhungrigen und käseumflirtenden "Titanic"-Redakteurs mit der hülsenfruchtlastigen Ernährung. Freundlich gestützt wird das Experiment vom angestrebten Gewichtsverlust, von überfallartiger Konzentrationssteigerung und allgemeinem Wohlbefinden. Angefochten wird es: Von Arbeitskolleginnen, die sich ihrer prägnanten Meinungen professionsbedingt nicht schämen, von plötzlichen Lücken in der veganen Nahrungsversorgung und von der eigenen kritischen Geisteshaltung. Beste Zutaten, behaupten wir, für ein bekömmliches Potpourri von süffigen Milieubetrachtungen, köstlicher Trendkritik und delikater Selbstreflexion...
Die erste Überraschung hält das Buch schon auf den ersten Seiten bereit. Zumindest für den Rezensenten, der - geständiger "Titanic"-Leser – voreingenommen erwartete, dass der Autor darin den forschen Humor dieser Satirezeitschrift fortschreibe. Aber, leichte Schläge gegen den Hinterkopf... Warum sollte er? Stattdessen präsentiert das Buch sich feinnervig, liebenswürdig und vergnüglich. Ironie und Witz sind Mark-Stefan Tietze dabei natürlich nicht abhanden gekommen. Sie funkeln durch, wenn er alsbald der Verflüchtigung seiner keuschen Liebschaft mit der grünhaarigen Schönen hinterhergrübelt, oder auch, wenn er tierethische Gemeinplätze auf den Kopf stellt und missbilligt, wie kaltblütig Zootiere die ihnen zuarbeitenden Menschen ausnutzen. Doch er vertieft sich aufrichtig in seine Themen, verweigert sich aller Deutungshoheit und nähert sich Tierethik und Konsumkritik mit respektvoller Skepsis. Gedanke um Gedanke, Argument um Gegenargument erkunden wir in seinem geschäftigen Schlepptau die Rechtfertigungen, faktischen Hintergründe, die noblen Beweggründe und auch die eitlen Selbstbeweihräucherungen des Veganismus. Wir finden in seinem Buch einen weiteren Beleg unserer These, dass seriöse Veganismuskritik (wenigstens bislang) eher von den Veganern selbst als von Grillliebhabern und Jägerinnung geübt wird.
Wir hatten gleichwohl Startschwierigkeiten. Gewiss, meinen wir, hätte Herr Tietze einen knackigeren Einstieg in seinen Text finden können als die flächendeckende Orientierung seiner Leserinnen in seine eingangs noch serbelnden Lebensumstände. So aber müssen wir für den Anfang des Buches etwas Geduld anempfehlen - und bald erneut, wenn es zum Familienstelldichein hinausgeht. Abwarten! raten wir: Das führt schon irgendwo hin. Des Weiteren finden wir - mittels unseres biologischen Augenmerks im Gegenzug zu seinem philosophischen und soziologischen - Angriffspunkte in seinen abschliessenden Einlassungen zur Positionierung des Menschen in der Tierwelt. Doch diese liegen in der Natur der Sache (und umgekehrt).
All dies, Lob und Tadel, leitet unsere sachbuchverseuchten Beurteilungskriterien zu folgender Feststellung: Dies ist kein wichtiges Buch. Es ist nur ein vergnügliches, ergiebiges und pfiffig intelligentes Buch - eines, das wir nächsten Sommer neben so mancher Badematte zu erspähen hoffen und das uns dann daselbst Anlass zu verschwörerischer Freude sein wird. Ein Buch, vielleicht sogar, das dem mürrischen Körnlipicker-Spötter in unser aller Nachbarschaft einen fundierteren zweiten Gedanken abnötigt? Das liegt reinweg im Bereich seiner Möglichkeiten. Wir wünschen ihm dazu: Gutes Gelingen!
Rezension: Sacha Rufer
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