Autor | Tom Slee |
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Verlag | Verlag Antje Kunstmann |
Umfang | 269 Seiten |
ISBN | 978-3-95614-104-1 |
Preis | Fr. 31.90 (UVP) |
Meins ist deins. Zugang statt Besitz. Sharing means caring. Drei Slogans der Share Economy, der "Ökonomie des Teilens". Ihre Idee ist bestechend, da simpel: Anstatt mir eine eigene Bohrmaschine anzuschaffen, leihe ich sie mir vom Nachbarn; anstatt ein eigenes Auto zu unterhalten, teile ich mir eines mit Gleichgesinnten; anstatt ein Hotelzimmer zu buchen, suche ich Unterkunft bei den Einheimischen mit dem freigewordenen Kinderzimmer. Und was liegt näher, als diese Tausch- und Mietgeschäfte übers Internet einzuleiten und abzuwickeln? Auch Tom Slee war einer jener – unserer –, die grosse Hoffnung in diese sympathische Bewegung mit ihren Idealen der Nachhaltigkeit, der Gemeinschaft und der kleinteiligen Selbstermächtigung setzten. Bis er die von ihr freigesetzten Marktdynamiken genauer recherchierte.
Die Ergebnisse, die seine Nachforschungen in seinem nordamerikanischen Umfeld zeitigten, lassen sich leicht auf unsere europäischen Verhältnisse übertragen, wenn wir uns einiger leiser Schlagzeilen der letzten Jahre erinnern. An den Widerstand der Taxifahrer gegen die privaten Chauffeursdienste von Uber, beispielsweise. Oder an die zunehmende Besorgnis Berlins und anderer Städte, die sich einer wachsenden Zahl von forcierten Mietkündigungen zu Gunsten von Vermittlern 'privater' Übernachtungsmöglichkeiten, wie Airbnb, gewahr werden. Hier wie dort, so zeigt uns der Autor in seinem weitläufigen, minutiösen Rapport, hat sich die ursprüngliche Idee eines gleichberechtigten und ressourcenschonenden Zugangs zu Gütern allenfalls auf der Seite der Nutzer und kleinen Anbieter gehalten. Deren idealistisches Engagement spült indessen längst Milliardengewinne in die Kassen der Vermittler und Risikokapitalgeber.
Nicht so schlimm, mögen wir nun denken: Es werden ja immer noch Ressourcen gespart, das Klima geschützt, und das Teilen und Tauschen ermöglicht eine Belebung des Gemeinschaftssinns. Doch leider gelangt Tom Slee auch hier zu abschlägigen Bescheiden. So legt er dar, wie Carsharing-Dienste so manchen ihrer Nutzer nicht nur vom Autokauf, sondern auch von der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel abhalten. Oder, im selben Beispiel, wie private Anbieter von Fahrzeugen selten echte Gemeinschaftlichkeit anstreben, sondern sich dagegen entschieden sträuben und von den Vermittlern harte Gebrauchsbestimmungen für ihr Eigentum einfordern. Darüber hinaus wirft die Tätigkeit für die kollaborative Wirtschaft ihre 'Arbeitnehmer' in einen (wenigstens bislang) weitgehend rechtlosen Raum, in dem sie ihre Interessen kaum verteidigen können. Die neue, sozial motivierte Wirtschaft unterläuft dann genau jene sozialen Errungenschaften des Arbeitsmarkts, deren Aushöhlung durch transnationale Konzerne und Politik sie entgegen treten wollte.
Das ist eine ernüchternde Botschaft. Tom Slee münzt sie nicht nur auf die Grossen der Bewegung, wie Airbnb, Uber oder Open-Source-Software, sondern in internationaler Überschau auch auf viele kleinere Initiativen und auf verwandte Geschäftsfelder, wie beispielsweise die Vergabe von Mikrokrediten. Eine grundsätzliche Geisselung der Ideen des Teilens und der Pflege von Allmenden ist dabei nicht seine Absicht. Er zeigt nur einprägsam auf, wo der Verrat an ihren ökologischen oder sozialen Zielsetzungen ansetzt und wie sich dann ihre Kapitalflüsse aus unserer Mitsprache verabschieden.
Es bleibt durchaus eine gute Idee, sich eine Bohrmaschine auszuleihen oder einen Rasenmäher mit der Nachbarin zu teilen. Doch sobald grössere Mengen Kapitals in eine App oder ein ähnlich unübersichtliches Netzwerk fliessen, sollte irgendwo im Hinterkopf ein Alarmsignal aufleuchten. Mit der Intensität des Alarmsignals, das Tom Slee in seinem Buch setzt, mögen wir dabei nicht durchweg gleichziehen. Es mag seine verständliche Frustration sein, die ihn bewegt, seine Anklage gegen das Profitdenken in Share Economy-Unternehmen vermehrt zu personalisieren: Wir erkennen hier eher systemische und rechtliche Mängel sowie die schlichte Tatsache, dass sich die kapitalistischen Definitionen von Nutzen und Gewinn eben nicht ruckzuck aus dem angestammten Denken verbannen lassen. Das soll uns aber wiederum nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Kritik nötig und berechtigt ist. Sein Buch, so unbequem es sich in seiner Mission der Desillusionierung auch darstellt, ist in seiner überzeugenden Analyse genauso wie in seiner Eignung zu einer konstruktiven Sensibilisierung ein bemerkenswertes und wichtiges.
Rezension: Sacha Rufer
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