Autor | Norman MacLeod |
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Verlag | Theiss Verlag (WBG) |
Umfang | 240 Seiten |
ISBN | 978-3-8062-3284-4 |
Preis | Fr. 48.50 (UVP) |
Es ist eine andauernde Debatte, quer durch die Wissenschaften: Die grosse Frage nach den einschneidenden Massensterbeereignissen, von denen das Aussterben der Dinosaurier nur eines unter mehreren ist. Von Geologinnen, Biologen, Paläontologinnen oder berufenen Laien wurden bereits viele Erklärungen in den Raum geworfen - von Veränderungen der Sauerstoffsättigung von Ozeanen und Atmosphäre bis zur Bejagung des Erdenkreises durch Ausserirdische. Dass die Theorien und Nachweise zu den erdgeschichtlichen Aussterbeereignissen in den letzten Jahrzehnten von Fachwelt und Medien mit wachsendem Eifer debattiert wurden, kommt nicht von ungefähr. Immerhin mehren sich die Anzeichen, dass die Menschheit selbst ein weiteres solches angestossen haben könnte. Doch um hier zu verbindlichen Schlüssen oder sogar zu zweckmässigen Lösungen vorzudringen, reichen simple Schuldzuweisungen nicht aus. Der britische Paläontologe Norman MacLeod, anerkannter Experte zu den Faunenschnitten der Erdgeschichte, verschafft uns deshalb mit seinem Buch einen tiefer schürfenden Überblick über die möglichen Hintergründe der Massensterben.
Nehmen wir mal - einfach weil es uns Spass macht, wenn auch beileibe nicht im Sinne des Autors - die Ausserirdischen. Angenommen, es erhärtete sich der Verdacht, dass sie am Aussterben der Dinosaurier namhaft beteiligt waren, wäre mit dieser Anschuldigung noch wenig gewonnen: Wir müssten, um aus der Erkenntnis Nutzen zu ziehen, genauer nachfragen, wie sie das gemacht haben. Wie viele und welche Dinosaurier mussten sie mit ihren Laserwaffen erlegen, um tausende Populationen in die ewigen Jagdgründe kippen zu lassen? Wenn Norman MacLeod - und mit ihm die wissenschaftliche Gemeinschaft, deren Beiträge er in seinem Buch breit und kompetent diskutiert - sich also nicht mit Erklärungen à la "Meteorit, Bumm, Fossilien" zufrieden gibt, so hat das nicht nur akademischen, sondern höchst aktuellen Wert. Er hält dann sein etwas weiteres Ausholen in die Evolution, die Methoden der Datenerhebung und die komplexen ökologischen, geologischen und klimatischen Zusammenhänge aber im schönen Mass dessen, was auch dem interessierten Laien fasslich ist.
Also: Stehen wir nun am Beginn eines von uns verursachten Massensterbens? Bücher, die genau diesen Schluss nahe legen (oder davon stillschweigend ausgehen), finden sich schnell. Al Gore etwa präsentierte damals in seinem berühmten Film und Buch erschreckende Zahlen. Dass er diesbezüglich auf schwer zu verteidigende Höchstwerte zurückgriff, ist kein grosses Geheimnis - es mag ob seinem erklärten Ziel, Aufmerksamkeit auf den Klimawandel zu lenken, auch zweckvoll erschienen sein. Es hinterliess jedoch eine Generation von Wissenschaftlern in der Aufgabe, den aufgerüttelten Massen nahezubringen, dass auch weniger dramatische, einer differenzierten Einschätzung standhaltende Zahlen und Schlüsse kein Grund sind, sich sogleich wieder zurückzulehnen. Norman MacLeod meistert, in seinem nüchternen, unaufgeregten Tonfall, genau dies. Er sagt uns: Nein, bislang lassen die erhobenen Werte von Aussterbegeschwindigkeit und Artenverlust den direkten Vergleich mit einem erdgeschichtlichen Massensterben nicht zu. Aber: Ja, die sich immer deutlicher abzeichnenden ökologischen Umbrüche und die festzustellende Beschleunigung der Artenverluste geben ernstzunehmenden Anlass zur Sorge und zur Wahrnehmung unserer diesbezüglichen, direkten Verantwortung.
So wird sein Buch, das doch in der Hauptsache 'nur' die Mechanismen und diversen Modelle der bisherigen Massenaussterbeereignisse darlegt und prüft, zu einem Musterbeispiel dafür, wie wir uns eine seriöse und belastbare Wissenschaftsvermittlung und Umweltaufklärung vorstellen. Dessen reiche Anzahl an sinnreichen und attraktiven Abbildungen, Karten und Fotos stellen noch zusätzlich sicher, dass es jenem anspruchsvollen Laienpublikum, das es anzielt, fortdauernde Freude bereitet.
Rezension: Sacha Rufer
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