Autor | Frank Herrmann |
Verlag | oekom |
Umfang | 324 Seiten |
ISBN | 978-3-86581-808-9 |
Preis | Fr. 26.90 (UVP) |
Reisen ist das selbstverständliche Besondere. Damals, als Marco Polo oder auch noch Alexander von Humboldt reisten, war es nur besonders. Heute reisen nahezu alle, viele sogar freiwillig. Doch bei aller Selbstverständlichkeit des Urlaubs-, Geschäfts- oder Städtereisens hält sich doch immer noch der Hauch des Besonderen; der Ausbruch aus dem Gewohnten, das erinnerungswürdige Erlebnis. Vielleicht ist es dieser Hauch, der es zu verantworten hat, dass der zeitgenössische Tourismus sich mit Fragen der Nachhaltigkeit weiterhin schwer tut? Denn selbst wir ansonsten umweltbewussten Leute machen bezüglich unserer Ferien gern “mal eine Ausnahme“. Das seit über vierzig Jahren angepriesene sanfte bzw. ökologische Reisen hat sich demzufolge an den meisten Urlaubsdestinationen noch nicht spürbar manifestiert.
Dem ökologischen und sozialen Fussabdruck des Tourismus in aller Welt spürt der Tourismusexperte Frank Herrmann in seinem Buch nach. Es ist weit mehr als das versprochene Handbuch zum umweltbewussten, sozial verträglichen Reisen. Es ist ein umfassendes Informationswerk zu den vielen Themen, die unser Reisehunger berührt, zu den Problemen, die er schafft, und – ja doch, auch das – zum Gewinn, den er darstellen kann. Wie ist das also, mit der CO2-Kompensation für die Flugreise: Blosser Ablasshandel oder ein wertvoller Beitrag zum Klimaschutz? Wie ist, grundsätzlich, das Argument vom Tourismus als Mittel der Völkerverständigung einzuschätzen? Wie positioniert sich die Reisebranche zu Fragen der Niedriglohn- und Kinderarbeit, des Artenschutzes oder der Verletzung von Menschenrechten? Frank Herrmann versammelt und prüft die Fakten und Zahlen, führt Interviews und wägt die Argumente kritisch gegeneinander ab. Er geht dabei immer auch ins Detail. So erörtert er dann beispielsweise nicht nur die grundlegenden Problematiken des Artenschutzes im Spannungsfeld von Naturerlebnis und Profitinteresse, sondern liefert uns Tipps und Erklärungen, wo und unter welchen Umständen wir guten Gewissen whales watchen können.
Diese breite Bestandsaufnahme der vielfältigen wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und ökologischen Teilaspekte des Tourismus überführt er dann in den Entwurf eines Tourismus mit Verantwortungsbewusstsein – und prüft auch sogleich wieder kritisch die dahingehend bislang geleisteten Bemühungen. Immer klarer und prägnanter werden dabei die Ratschläge und Kommentare, die Dos und Don'ts eines nachhaltigen Reisevergnügens, bis sie schliesslich, im letzten Teil des Buches, in praktische Checklisten, Label- und Veranstalterempfehlungen und eine breite Anzahl einschlägiger (Webseiten-)Adressen münden. Da wird das Buch dann im umfassend befriedigenden Sinne das, als was es sich uns im Untertitel empfahl: Eine griffige Handreichung, die uns durch die Versprechen und Verführungen der Reisebranche zu einer verantwortungsvollen Urlaubsplanung anleitet.
Bei alledem, auch in den niederschmetternden oder tadelnden Passagen, bleibt klar, dass da keiner schreibt, der uns den Spass verderben will. Frank Herrmann ist als ehemaliger Reiseleiter nicht nur dienlich welterfahren, sondern auch vom Wert dieser Erfahrungen überzeugt. Ihm ist aber, als ehemals in Entwicklungsprojekten Engagiertem, ein dringendes Anliegen, dass sich Spass und Gewinn auch auf jene Länder, Leute und Landstriche ausdehnt, die uns damit bedienen. Er hat, als kompetenter und gewandter Autor, in dieser Absicht ein Buch geschrieben, das wir in Zukunft bezüglich aller touristischen Fragen und Detailbelange auf Armlänge halten werden. Falls Sie sich also einen informierten Überblick über die gegenwärtige Reisebranche verschaffen wollen: Schauen Sie in dieses Buch. Falls Sie mit dem Gedanken spielen, irgendwann mal in die Ferien zu gehen: Schauen Sie in dieses Buch. Falls sie gerade rätseln, wieviel Trinkgeld Sie dem netten peruanischen Kellner geben sollen: Schauen Sie in dieses Buch. Schönen Urlaub!
Rezension: Sacha Rufer
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