Autor | Michael Kopatz |
Verlag | oekom |
Umfang | 412 Seiten |
ISBN | 978-3-86581-806-5 |
Preis | Fr. 32.50 (UVP) |
Vor nun doch schon so einiger Zeit äusserte eine Mitarbeiterin hier in unserer trauten Runde den frommen Wunsch, nachhaltiges Verhalten möge zu einer ähnlichen Selbstverständlichkeit werden wie beispielsweise die Zahnreinigung, anstatt unentwegt als eine Heldentat oder, anders herum, als eine Zumutung aufgefasst zu werden. Sie legte damit punktgenau den Finger in die Wunde der jahrzehntelangen Bemühungen um Umweltbildung. Denn die haben, bei allen punktuellen Erfolgen, genau dies nicht vollbracht: Nachhaltigkeitskonzepte als eine unbeschwerte Routine in unseren alltäglichen Handlungen zu verankern. Wenn jetzt also Michael Kopatz sein neues Buch mit eben dieser "Ökoroutine" betitelt, so hat er unsere hohen Erwartungen auf sicher. Wir werden nicht enttäuscht.
Natürlich ist die Umwelterziehung nicht gescheitert. Sie hat breite Akzeptanz der Notwendigkeit des Umweltschutzes geschaffen, und gerade verzeichnet sie erste Erfolge dabei, uns unsere Existenz nicht mehr als auserwählte Vorsteher, sondern als Teil der uns erhaltenden Natur begreiflich zu machen. Im Kampf gegen Werbeeinschaltungen und Aktionsangebote zieht sie aber weiterhin fast durchweg den Kürzeren. Den Grund hierfür sieht Michael Kopatz nicht zuvorderst in unserem persönlichen Versagen, sondern in Überforderung. Politik und Wirtschaft haben es sich weitgehend darin bequem gemacht, der mündigen Bürgerin die Verantwortung für die Umwelt zuzuschieben, und wir, die Umweltschützer, haben sie dann mit Ratschlägen und Mahnungen zugeschüttet. Anstatt dessen bemüht sich der Sozialwissenschaftler am renommierten Wuppertal Institut nun darum, die Ökoroutine aus der Mühsal der unablässigen persönlichen Entscheidungen herauszuführen und mittels gemeinschaftlicher (d.h: politischer und gesetzlicher) Richtlinien und Standards zu befestigen.
Um die Formulierung und Verteidigung dieser politischen Handlungsvorschläge dreht sich sein Buch. Zu allen wichtigen Belangen unseres Alltags - Essen, Wohnen, Arbeit, Energie, Konsum und Mobilität - fasst er kurz die Aufgabenstellungen zusammen und entwirft möglichst einfache, wirkkräftige politische Massnahmen, sie zukunftsfähig umzugestalten. Dem fügt er dann noch Empfehlungen zur Umsetzung der Massnahmen im Rahmen von Demokratie und Rechtsstaat und zur Etablierung einer Gemeinwohlwirtschaft an. Dass ihm bei seiner Bemühung um Einfachheit manche seiner Entwürfe ‘radikal‘ und damit abschreckend geraten, ist ihm bewusst. Speziell diese weiss er uns deshalb mittels anschaulicher Beispiele ihrer realen Umsetzung zu entschärfen. Andere Visionen wiederum bedürften nur einer augenzwinkernden Verschiebung der Präferenzen - wie etwa jene, im Winter die Fahrradstreifen und Fusswege vor den Autospuren vom Schnee zu räumen.
Michael Kopatz setzt also auf Reglementierungen anstatt auf moralische Appelle, auf Normen und Standards anstatt auf fakultative Askese. So sehr wir mit ihm übereinstimmen, dass die Rede von der Nachhaltigkeit jetzt konkret werden muss, fürchten wir doch, dass er damit all jenen Zunder gibt, die sich schon heute von einer Ökodiktatur gegängelt fühlen. Immerhin sind wir Menschen so veranlagt, dass wir die Wahl zwischen Regen und Traufe als eine Freiheit, einen Schirmzwang aber als eine Bevormundung erleben. Diese Lektion hat auch der Autor verstanden, weshalb er uns eindringlich nahelegt, die engagierte politische Lenkung von Nachhaltigkeitsanstrengungen in erster Linie als eine Hilfestellung anzunehmen: Dahingehend, dass wir endlich tatsächlich tun, was uns doch theoretisch schon lange einleuchtet. Ob sich diese – unbedingt vertrauenswürdige – Botschaft indessen auch aus den Seiten des Buches in den politischen Diskurs hinüberrettet, bliebe dann noch abzuwarten.
Wir erwähnen das hier nicht, um die Fahnen gleich vorsorglich wieder aufzustecken. Es dient uns umso mehr zur Empfehlung seines Buches. Michael Kopatz argumentiert die Zielrichtung und den Gehalt seiner Entwürfe und Handlungsempfehlungen fundiert und einleuchtend, und er verteidigt sie bravourös. Er schafft damit, neben all den cleveren und innovativen Ideen zu den Standards, Limits und Caps, die Öko zur Routine machen, auch das Verständnis dafür, dass ökologische Verordnungen nicht Schikane sein müssen, sondern Befreiung sein können. Sein Buch setzt einen ungemein hilfreichen Startpflock dafür, dass die Sorge um Nachhaltigkeit wieder auf breiter Ebene dorthin zurückkehrt, wohin sie gehört: In die Politik. Und damit in die Gemeinschaft.
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