Buch «Körper und Erde»

Buch «Körper und Erde»

Essay über gutes Menschsein

Als "Dünger fürs Denken" preist der Verlag dieses Büchlein von Wendell Berry, und für einmal wollen wir uns dieser Charakterisierung einfach faul anschliessen. Tatsächlich: Es befruchtet, nährt und belebt.

Autor Wendell Berry
Verlag thinkOya (Drachen Verlag)
Umfang 95 Seiten
ISBN 978-3-927369-97-9
Preis Fr. 14.-- (UVP)

 

Das Schicksal kleiner, schmaler Bücher ist es, im Stapel verloren zu gehen. So geschah es auch diesem Essay; und dies, obwohl wir uns doch gefreut hatten, endlich einmal etwas von diesem Wendell Berry zu lesen. Sie kennen Wendell Berry nicht? Kein Grund, an sich zu zweifeln. Der Name ist auch uns nur geläufig, da er regelmässig in spezialisierten amerikanischen Veröffentlichungen zu Themen des Tierschutzes und der Tierethik, der Agrar- und Bio-Landwirtschaft oder der intelligenteren Kapitalismuskritik aufgetaucht. Obwohl Wendell Berry also jenseits des grossen Teichs gut bekannt ist, wurde er noch kaum ins Deutsche übersetzt: Ein Unternehmen, das der thinkOya-Verlag nun mit diesem Band seiner "Akt"-Reihe dankbarerweise nochmals startet.

Wendell Berry lebt und wirtschaftet auf einem Stück Land im Norden Kentuckys und erhält da dann Briefe, in denen ihm beispielsweise davon berichtet wird, wie ein junges Mädchen sich von der Golden Gate Bridge stürzte. Das ist, ganz klar, eine Steilvorlage für Kulturpessimismus und Kulturkritik. Und tatsächlich übt sich der alternde Autor und Farmer wenn schon nicht im Pessimismus, so doch redlich in ebendieser Kritik. Doch unser guttrainierter Ärger über solcherlei Versuche will sich nicht einstellen. Es ist kein trotziges Anrennen gegen eine überfordernde Moderne, an der Wendell Berry uns teilnehmen lässt, sondern ein besonnenes und informiertes Nachdenken über deren Wurzeln, Mechanismen und Beweggründe.

Unsere Industrie- und Konsumgesellschaft, so Wendell Berry, ist eine fragmentierte und fragmentierende. Zersplittert in Spezialdisziplinen, Dualismen und Wettbewerbe errichtet sie Schlagbäume, wo natürlicherweise Bindungen und Netzwerke spielen: Zwischen Körper und Seele, Mann und Frau, der Menschheit und dem Boden, von dem sie lebt. Unsere unentwegte Betrachtung der einzelnen Splitter als einer scheinbaren Realität verstellt uns indessen den Blick auf Zusammenhänge und Gemeinsamkeiten. Da sind wir dann so erpicht auf das Getreide, das unser Boden abwerfen soll, dass wir darüber die Hecke vergessen, die die Erosion aufhielte. Oder wir meinen, in den Geschlechtern grundsätzlich unterschiedliche Spezies zu erkennen, anstatt die gemeinschaftliche Menschlichkeit zu leben. Wendell Berry macht uns diese mannigfaltigen Thesen und Antithesen wieder als Synthesen einsichtig und tastet dabei, behutsam, nach einem tieferen Zusammenhang seiner landwirtschaftlichen Erfahrungen und den beobachteten kulturellen Phänomenen. Diese Erfahrung lehrte ihn, dass die Natur keine isolierten Organismen kennt: Von Dauer ist, was eingebunden bleibt.

Das klingt, so brachial zusammengefasst, erst mal banal. ‘Ganzheitlichkeit‘ ist längst ein breitenwirksam abgesegnetes Ideal – wir brauchen keinen Wendell Berry, um sie uns noch einmal zu empfehlen. Eher schon bräuchten wir eine kritischere Auseinandersetzung damit. Genau in diesem Sinne dürfen wir aber gerne auf ihn zurückgreifen, wenn er den Begriff in klarer umrissene Gestalt fasst und in jedem kurzen Kapitel seines Essays unter seine Oberfläche taucht. Dabei stösst er auf pfiffige Einsichten: Beispielsweise seine Einlassungen zur Sexualität als Besitzgut gehören, samt seinem Gegenentwurf, zum Geistreicheren, was wir in den letzten Jahren zum Thema gelesen haben. Vor allem aber webt er eine überzeugende Erzählung, die uns präziser erkennbar macht, wie unser Umgang mit unserer eigenen Körperlichkeit und im gesellschaftlichen Miteinander sich im Umgang mit Natur und Umwelt spiegelt. Das tut er dann nicht, wie der Untertitel des Büchleins glauben machen könnte, als auftrumpfender Besserwisser, sondern leise, abwägend.

Wir hörten ihm also achtungsvoll und aufmerksam zu, diesem Wendell Berry, obwohl die Voraussetzungen dafür besser hätten sein können. So besteht er darauf, vom irdischen Ökosystem als der “Schöpfung“ zu sprechen, und bleibt insgesamt einem amerikanisch-christlichen Menschenbild eng verhaftet. Er spricht weiterhin oft von Spiritualität, ohne uns dann genauer in Kenntnis zu setzen, was diese beinhalten soll. Auch so einigen seiner Folgerungen und Gedankengänge mögen wir nicht sorglos beispringen: Ob es tatsächlich unmöglich ist, einen Körper zu heilen, ohne gleich auch dessen gesamtes Umfeld heil zu machen…? Doch kleinere Meinungsverschiedenheiten sollen uns nicht vom Kurs abbringen. Der Verlag preist den Essay als “Dünger fürs Denken“, und für einmal wollen wir uns dieser Charakterisierung einfach nur faul anschliessen. Das Buch befruchtet, nährt und belebt jenes Denken, aus dem wir eine nachhaltigere Zukunft spriessen machen möchten.

 


Rezension: Sacha Rufer


 

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