Autor | Edward O. Wilson |
Verlag | C.H. Beck Verlag |
Umfang | 256 Seiten |
ISBN | 978-3-406-69785-2 |
Preis | Fr. 29.90 (UVP) |
Hand hoch: Wer kennt Edward O. Wilson? Das dachten wir uns schon - alle Hände oben. Doch für all jene, die jetzt nur aus Verlegenheit mitmachen, wollen wir ihn dennoch kurz vorstellen. E. O. Wilson ist Biologe, Schwerpunkt Ameisenforschung, und als solcher dicht mit Auszeichnungen behangen. Er ist ausserdem ein leidenschaftlicher Natur- und Umweltschützer. Das war er schon, als unsereins noch an der Startlinie die Windel zurechtzupfte. Nicht zuletzt ist er auch noch der Autor ganz vorzüglicher wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Publikationen. Diese seine neueste bildet den Abschluss einer Trilogie, deren erster Teil, "Die soziale Eroberung der Erde", das Denken und die Weltsicht des Verfassers dieser Zeilen nachhaltig prägte.
Aber um das gleich richtigzustellen: Nein, man muss die Vorgänger nicht gelesen haben, um diesen dritten Band der Reihe zu verstehen. Denn obwohl sich hier alles recht explizit um Biodiversität und Artenschutz dreht, benötigen wir als Vorwissen nur rudimentäre Kenntnisse der Biologie. Uns diese zu vertiefen und mit Leben zu füllen, darum bemüht sich der Autor im gesamten ersten Teil seines Buches. Er tut das, wie gewohnt, nicht nur mit faszinierender Beschlagenheit, sondern steckt uns dabei auch gleich noch mit zweierlei Emotionen an: Mit seiner Begeisterung, und mit Sorge. Denn ihm, dem gewieften Feldforscher und Zeugen des Artensterbens, ist der Verlust einer Muschelart da und eines Vogels dort nicht gleichgültig. Es ist ihm als eine existenzielle Herausforderung an die Menschheit einsichtig, und aus diesem Verständnis heraus macht er uns dann einen Vorschlag. Nämlich die Hälfte der Erde zum Naturschutzgebiet zu erklären.
Hoppla! denken wir: Gleich die Hälfte der Erde? Das ist... ambitioniert. Doch bevor nun der Chor an kundigen Einwänden anhebt, wollen wir noch schnell einwerfen: Herr Wilson hat Gründe, sich hier nicht vornehm zurückzuhalten. Die rekrutieren sich einerseits aus seiner Anschauung der komplexen Verwobenheit der Beziehungen in den irdischen Ökosystemen. Diese verschliesst sich uns noch so grundlegend, dass eine Unterteilung nach 'wichtigen' und 'überflüssigen' Arten einer Partie russischen Roulettes gleichkäme. Andererseits entstammen sie seiner Erfahrung an der Seite grosser Umweltschutzorganisationen, die ihn lehrte, dass es selten das Klein-Klein, sondern eben die Ambition ist, die Erfolge zeitigt. Und schliesslich schreibt er sein Buch nicht nur für eine Atempause für die Erde und den Erhalt möglichst umfassender Teile der Artenvielfalt. Er schreibt es auch gegen jene erstarkten Stimmen in der Umweltbewegung, die die Bewahrung unberührter Natur als gescheitert erklären und stattdessen die ökologische Gestaltungsmacht des Menschen ins Positive verkehren möchten.
Da wir seinen unausgesprochenen Eindruck teilen, dass sich in der aufgekeimten, seltsamen Glorifizierung des "Anthropozäns" oftmals nur Resignation ins Gewand des Optimismus kleidet, halten wir seine Gegenrede für eine wichtige. Das soll uns nicht davon abhalten, unsere Zweifel zu verlautbaren. So käme, unserer Einschätzung nach, ein Bekenntnis der Nationen, die Hälfte ihrer Landfläche ganz allein den Abermillionen Arten abzutreten, mit denen wir den Planeten teilen, einem Wunder gleich - und auf Wunder möchten wir nicht setzen. Wir teilen auch nicht uneingeschränkt die Zuversicht, die E. O. Wilson bezüglich kommender Technologien zur Versorgung der Menschheit auf der verbleibenden Landfläche hegt. Ebenfalls kommen wir nicht umhin zu bemerken, dass er sich in seiner Wahl der Daten zum drohenden Artenverlust eher auf der apokalyptischen Seite bewegt - auch wenn wir die dadurch gewonnene Intensität seiner Warnung als berechtigt fürchten. Vor allem aber melden sich Bedenken, wie sich eine verschärfte Abtrennung möglichst unberührter Naturreservate auf uns Menschen und unser Verständnis unserer Position im Lebensumfeld auswirken würde. Die Vision des Autors, uns mittels Kameras an dieser doch noch teilhaben zu lassen, halten wir für profund unbefriedigend.
Das waren nun, oha, doch eine Menge Einwürfe. Macht aber nichts. Edward O. Wilson hat erreicht, was er anstrebt und was er uns mehrmals in klaren Worten mit auf den Weg gibt: Denkt noch mal nach! Das tun wir jetzt mal. Auch dieser letzte Teil seiner Trilogie hat uns also wertvoll bereichert und wird uns demzufolge noch ein Weilchen begleiten. Wir halten es zudem für ganz entscheidend, dass wir dabei nicht allein bleiben... Augenzwinkersmiley.
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