Autor | Sebastian Lotzkat |
Verlag | Rowohlt Taschenbuch Verlag |
Umfang | 303 Seiten |
ISBN | 978-3-499-63166-5 |
Preis | Fr. 15.50 (UVP) |
Dabei geht es ihm erst einmal darum, uns die Neuzuzüger sympathisch zu machen. Oder überhaupt erst bekannt. Denn “so, wie es ganz praktisch und ja durchaus auch sehr erfreulich sein kann, wenigstens ein paar seiner menschlichen Nachbarn zu kennen, so lohnt es sich auch immer, dass man sich ein wenig mit seinen tierischen Nächsten befasst“. Sagt er. Wir stimmen dem umso mehr zu, da er mit den “Nächsten“ nicht nur unsere genetischen Nachbarn meint, sondern auch die entfernteren Zweige unserer tierischen Verwandtschaft. So vollbringt er es dann, uns neben putzigen Eichhörnchen und Waschbären sowie schlauen Elstern und Füchsen auch die etwas unscheinbareren, wo nicht gar grusligen Kröten, Spinnen oder Marienkäfer näher ans Herz zu führen. Moment: gruslige Marienkäfer? Ja, doch.
Aber ehe wir uns nun auf verwirrende Abwege begeben: Eine stattliche Anzahl dieser Säuger, Vögel, Lurche und Gliederfüsser stellt Sebastian Lotzkat uns also vor. Dabei orientiert er sich weniger an zoologischen Eckdaten als an einprägsamen Anekdoten und charakteristischen Beobachtungen. Sogar die regelmässig eingestreuten Tierporträts versorgen uns vorrangig mit fancy-to-know-Fakten. Da es aber zu den biologischen Daten und Details der Stadtnatur bereits hinreichend vorzügliche Literatur gibt, stört uns das kein Stück. Und da sich dann – wie von Zauberhand – während des Durchmarschs durch das Buch doch so allerlei vertiefende Fachkenntnisse in uns ansammeln, erübrigt sich eine diesbezügliche Beschwerde ohnehin.
Indessen verabschiedet sich natürlich auch mal die innigste Tierliebe, wenn die Wildschweinrotte durch den eigenen Garten pflügt oder die Taube kackt. Ganz zu schweigen von den Marienkäfern... Jedenfalls: Mit der Tatsache, dass die Bereicherung unseres urbanen Alltags durch ordnungsignorante Wildtiere durchaus auch konfliktträchtig ist, befasst sich der Autor in der hinteren Hälfte seines Buches. Er lässt sich dabei weder zur Verharmlosung noch zum Zetermordio hinreissen, sondern erarbeitet nach und nach Handlungsanweisungen, wie ein Zusammenleben der menschlichen mit den nichtmenschlichen Städtern gelingen kann. Diese Richtlinien mögen der in den Kontroversen um Tierethik oder Neobiota versierten Leserin vielleicht etwas hemdsärmelig erscheinen. Sie zeichnen sich aber durch breite Alltagstauglichkeit aus. Bezüglich der Sitte des wohlwollenden Brotschmeissens nach Vögeln etwa zeigt er uns warnend auf, wie diese Verschiebung der Nahrungsreserven einer Stadt hin zu ausgewählten Vertretern ihrer Tierwelt dann anderswo wieder Unbill bereitet – in Gestalt von raubgierigen Schwänen, als ätzender Kotanstrich an Denkmälern und als Algenteppich in den Gewässern. Er stellt uns, kurz gesagt, die Stadt als ein durchaus funktionierendes Ökosystem vor, das von einem toleranten Mit- und Nebeneinander mehr profitiert als von überfürsorglichen Aufwallungen oder, andersrum, von feindseligen Interventionen.
Die Wahrnehmung der urbanen Fauna selbst verschiebt sich dabei unmerklich. Sie besteht da plötzlich nicht mehr aus hegebedürftigen Opfern oder tückischen Eindringlingen, sondern aus allerlei eigenständigen, charaktervollen Mitgliedern einer erweiterten Gesellschaft. Die Entspanntheit dieser Betrachtung setzt auch den Tonfall des Buches. Sebastian Lotzkat verführt uns weit öfter zum Kichern als zum Grübeln. Mit Einfühlungsvermögen und Witz versetzt er uns in genau jene Laune des achtsamen, aber unaufgeregten Respekts, die er dem landläufigen Städter im Umgang mit seltsamem Getier ganz allgemein nahelegt. Sein Buch darf darüber gern als “leichte Kost“ gekennzeichnet sein – dies aber ausschliesslich im allerbesten möglichen Sinn. Bei all seiner Leichtigkeit bleibt es klug, lehrreich, zweckvoll. Kurzum: Uneingeschränkt und jedermensch empfehlenswert!
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