Buch «Am achten Tag»

Buch «Am achten Tag»

Eine Reise in das Zeitalter des Menschen

Die Geowissenschaften beraten noch darüber, ob wir von der Epoche des Holozän ins Menschenzeitalter, das Anthropozän, übergetreten sind. Doch wenn wir zum Massstab nehmen, wie oft wir diesen Begriff in den letzten Jahren lasen, dann ist es bereits ausgemachte Sache: Grüezi, Anthropozän. Das ist es auch für die britische Wissenschaftsjournalistin Gaia Vince, die aufbricht, um es aus den abstrakten Daten der akademischen Forschung zu lösen und sich ein Bild davon zu machen, wohin uns unsere Macht, den Planeten zu formen, geführt hat - und wie wir sie einsetzen können, um ihn uns lebenswert zu erhalten.

Autor Gaia Vince
Verlag Konrad Theiss
Umfang 447 Seiten
ISBN 978-3-8062-3393-3
Preis Fr. 39.90 (UVP)

 

Die Reisen, die sie hierfür unternahm, umfassten zwei Jahre und führten sie rund um den Globus in seine mannigfachen Landschaften und Ökosysteme: In die Anden und den Himalaya, den Regenwald und die Savanne, an Flüsse, auf Inseln, über Äcker und in die Städte. Hauptsächlich aber führten sie sie zu Menschen. Zu dem Elektroniktüftler etwa, der Reparaturanleitungen für all die Geräte erstellt, für die uns die Hersteller keine zur Verfügung stellen möchten. Zu dem jungen Peruaner, der in einem einsamen Kampf gegen die globale Erwärmung die Bergwände weiss streicht, um so den wasserspendenden Gletscher vielleicht zurückzubringen. Zu Jägern vom Buschvolk der Hadza, die sich ihre traditionelle Lebensart bewahren wollen, und einem Biologen im Amazonas-Regenwald, der versucht, mittels eines Blicks in die Zukunft dem Artensterben zuvorzukommen und so die Kenntnisse zu schaffen, es aufzuhalten. Sie traf Naturschützer, die Naturreservate möglichst unangetastet vom Menschen erhalten wollen, und Forscher, die sich den gestaltenden Eingriff in diese Natur auf die Fahnen geschrieben haben. Sie forschte, kurz gesagt, nach so ziemlich allen vorhandenen Antworten auf die Frage: Welche Art von Anthropozän wollen wir?

Die von ihr selbst favorisierten Antworten werden dabei natürlich erkennbar. Gaia Vince neigt im Zwist zwischen Forderungen der Suffizienz und der Effizienz den letzteren zu, schätzt also die Fähigkeiten der Menschheit, zu einer Technologie und einer Lebensführung zu finden, die sich mit den irdischen Ökosystemen verträgt, optimistisch ein. Im Einzelfall kann das dazu führen, dass sie sich milde über die Intentionen eines konservierenden Umweltschutzes lustig macht. Doch insgesamt bleibt sie in ihrem Bemühen nach Objektivität siegreich, während sie ihre subjektiven Eindrücke zu prägnanten Sachinformationen verdichtet. Kaum ein ökologischer Themenkreisen, den sie dabei nicht zumindest streift - uns jedenfalls fällt jetzt keiner ein -, und nicht eine gewichtige Herausforderung, zu der sie uns nicht die Hintergründe, Zusammenhänge und Lösungsansätze in kundiger Breite vermittelt. Biodiversität, Wüstenwachstum, Urbanisierung, Wilderei, Plastikmüll und darüber, klar, immer wieder der Klimawandel: Kohlendioxidabscheidung, Übersäuerung der Meere, Energieproduktion...

Was uns dabei erstaunt und begeistert, ist gar nicht so sehr der Themenumfang; auch erst in zweiter Linie die dahinter stehende, ehrgeizige Recherche. Es ist die leichtfüssige Beredsamkeit, in der sie sie uns eröffnet, und die mit aller Kreatur sympathisierende Zuversicht, die sie dabei weckt. Bei all ihrer Kompetenz und Erfahrungsfülle beansprucht sie nirgends Deutungshoheit: Durchwegs fühlen wir uns als Teil einer Debatte und Aufgabe, die uns angeht und zu der wir etwas beizutragen haben.

Sicher: Wir gingen beileibe nicht mit all ihren Schlüssen und Argumentationen konform. Manchenorts fühlten wir uns sogar in eine neuzeitliche Variante jener Geisteshaltung gestürzt, die "sich die Erde untertan" machen möchte. Das ist dann schlicht Folge davon, dass sie sich während ihrer Expedition zu den innovativen Gestaltungsansätzen für das kommende Anthropozän auf den ánthropos konzentriert, auf den Menschen also und seine Bedürfnisse. Auch mausert sich ihr Buch - bei all seiner plaudernden Unterhaltsamkeit - nicht zum Thriller; es bedarf durchaus der regsamen Wissbegier und Konzentration. Für diese Wissbegier aber - und die konstruktive Beschäftigung mit der Frage, wo das alles, gute Güte, noch enden soll - stellt es die wohl lohnendste Lektüre dieses Herbstes dar.

 

Rezension: Sacha Rufer


 

 

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