Autor | Mat Fournier |
Verlag | Haupt |
Umfang | 160 Seiten |
ISBN | 978-3-258-07987-5 |
Preis | Fr. 47.90 (UVP) |
Einen Menschheitstraum nennt man es, das Fliegen; einen, den wir uns scheinbar erfüllt haben. Aber wenn wir dann den CO2-Ausstoss unserer Flugmaschinen mit jenem des Albatros vergleichen, bleibt da noch Raum zur Verbesserung. Ganz zu schweigen von Deltaseglern oder Gleitschirmen, deren Flugrichtung im Grunde doch immer dieselbe bleibt: Abwärts. Dass es vielfach noch nicht so ganz geklappt hat mit der Imitation dessen, was unsere irdischen Nachbararten ganz selbstverständlich vollbringen, muss uns aber nicht grämen. Schliesslich hatten die Viecher und Gewächse sehr viel länger Zeit, sich ihre Fertigkeiten anzueignen, als wir sie hatten, um sie ihnen abzukupfern - die Wartezeiten am Patentamt noch nicht einmal eingerechnet. Ein bisschen Staunen über diese Fertigkeiten soll dann dennoch bleiben. Jenes etwa, das die Journalistin Mat Fournier in ihrem Buch ein ums andere Mal erweckt.
Thema ihres Buches ist die Bionik - oder Biomimetik, wie sie es exakter nennt; die Nachahmung der Natur. Wobei es durchaus berechtigt ist, dass wir dieser alten Kulturtechnik jetzt einen schicken neuen Namen angedeihen lassen. Immerhin brechen wir hier noch einmal zu neuen Ufern auf, wenn wir beispielsweise selbstreinigende Oberflächen konstruieren, die sich an der mikroskopischen Oberflächenstruktur der Blätter der Lotosblume oder an Taubenfedern orientieren. Oder wenn wir aus dem Wind Wasser filtern, indem wir den Nebeltrinker-Käfer plagiieren. Die verblüffenden technischen Lösungen und Forschungen, zu denen uns Seegurken, Kiefernzapfen oder Stubenfliegen in Architektur, Materialwissenschaften, Medizin oder Fahrzeugbau inspirieren, tragen derweil nur einen Teil zu der Faszination bei, der uns Mat Fourniers attraktiver Bildband ausliefert.
Desgleichen wären da auch noch ihre sachkundigen und vergnüglichen Darstellungen der Inspirationsquellen, die uns ungeahnte tierische und pflanzliche Verhaltensweisen und Fertigkeiten anschaulich nahebringen. Inspirationsquellen, die, wie sich zeigt, noch einen Grossteil möglicher Anwendungen in petto halten. Da winken fantastische Innovationen wie der Wandhaft-Handschuh, der Spiderman alt aussehen liesse, die nachhaltigen Blumenstädte des Luc Schuiten oder der Destillanzug der Fremen aus "Dune"... Science-Fiction, schon klar, aber was will das schon heissen. Mit gleichem Augenmerk verfolgt die Autorin, wozu uns die Natur bereits angeregt hat. Da sind wir dann zwar nicht restlos überzeugt, dass wir uns das Rad tatsächlich vom dungkugelrollenden Skarabäus abgeschaut haben. Aber darum geht's auch nicht. Es geht um die Ernüchterung, wie viele unserer vermeintlich höchsteigenen Kulturleistungen wir der Beobachtung unserer belebten Umwelt verdanken. Es geht darum, von ihrer eleganten Effizienz für unsere nachhaltige Zukunft weiter zu lernen. Und es geht dann auch um die Wertschätzung all der Lebewesen, die uns diesbezüglich vormachen, was noch möglich ist.
Der spannende Bildband von Mat Fournier weiss all dies gleichermassen zu vermitteln. Einerseits durch seine attraktive Aufmachung und die von Yannick Fourié grandios fotografierten Bildseiten, wie sie sich im selben Verlag schon zu anderen Themen bewährt haben. Vor allem aber durch den Enthusiasmus und die freudige Neugier, die aus ihren Texten auf uns übergehen. Da ist wenig zu spüren von technologischer Machbarkeitsrhetorik oder dem ausbeuterischen Eigennutz, wie sie der Bionik ebenfalls oft zu eigen sind. An ihre Stelle tritt Respekt und das gedeihliche Bewusstsein um unsere unauflösliche Einbettung in die Natur. Mat Fournier schenkt uns damit ein Stück Optimismus in Zeiten, da sich die empfehlenswerten Bücher leider oft betrüblicheren Themen annehmen müssen. Kein Wunder also, dass wir ihren Bildband mit Freuden empfehlen - auch mit einem Schielen nach Weihnachten hin.
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