Autor | Charles Foster |
Verlag | Malik |
Umfang | 287 Seiten |
ISBN | 978-3-89029-262-5 |
Preis | Fr. 26.90 (UVP) |
Charles Foster möchte als Tier leben. Oder, anders gesagt: Er möchte wissen, wie es so ist, als ein Tier zu leben. Er möchte die animalische Welt nicht nur mit den Mitteln der intellektuellen Einfühlung erkunden, sondern ganz konkret: Deshalb erfahren wir beispielsweise gleich eingangs seines Buches, dass Regenwürmer sehr ausgeprägt nach der Gegend schmecken, aus der sie stammen. Doch die kulinarische Annäherung ist nur das eine. Es verlangt Charles Foster nach einer Abstimmung seiner Wahrnehmung mit der der Tiere, nach einer Erkundung ihrer mentalen Fertigkeiten und emotionalen Verfassungen. Sein Mittel der Wahl: Nachahmung.
So kommt es, dass wir das erste Kapitel seines Berichtes mit seinem Sohn Tom und ihm in einer Erdhöhle verbringen und nachts durch die Wälder krabbeln, um den Daseinsherausforderungen des Dachses (Regenwürmer...) auf die Spur zu kommen. Weiter geht's als Otter, Stadtfuchs, Rothirsch und schliesslich als Mauersegler, wobei die Reihenfolge sich durchaus auch im Sinne eines ansteigenden Schwierigkeitsgrads lesen lässt. Dieser erklärt sich im letzteren Fall, auf Grund der fortgesetzten Flugunfähigkeit des durchschnittlichen Menschenmännchens, von selbst. Auch die Hürde der unterschiedlichen Sinnesausstattung und das wahrscheinlich grundlegendste Hindernis - unser menschliches Verharren in sprachgebundener Abstraktion – lassen sich leicht nachvollziehen. Andere Schranken sind weniger augenscheinlich: Die zähe Kost und das damit verbundene Wiederkäuertum des Hirschs, etwa. Des Autors Überforderung an der manischen Gereiztheit des Otters. Oder auch mal nur das Unvermögen englischer Schutzmänner, den ungepflegten schlafenden Mann in der Böschung als Fuchs zu erkennen...
Doch wie ist es jetzt, ein Fuchs, ein Dachs, ein Hirsch zu sein? Wir wissen es, zugegeben, nach der Lektüre noch immer nicht so genau. Man könnte Charles Fosters draufgängerisches Experiment deshalb als gescheitert schmähen - wäre es nicht so grandios gescheitert. Die Odyssee war ja auch keine blosse Irrfahrt, und so staunen wir dann schlicht ein ums andere Mal, wie der gelernte Tierarzt prosaische zoologische Fakten mit Geschmäckern, Klängen, Empfindungen auflädt. Wie er - als Ethiker jetzt - beim unbeschwerten Schaukeln zwischen Naturwissenschaft und Schamanismus enthusiastisch Löcher in die dünne Wand schlägt, die wir selbstherrlich zwischen uns und den anderen Tieren hochgezogen haben. Und nicht zuletzt freuen wir uns darüber, wie er aus seinem kunstfertigen Ringen um eine Sprache für Dinge, die keine Sprache haben, neben dem vielseitig lehrreichen auch ein erzählerisches Vergnügen schafft.
Diese Freude wurde nur selten getrübt. Das dann nicht, wenn Charles Foster sich gelegentlich an metaphysischen Weltanschauungen versucht: Er bleibt da kraft Selbstironie und Skepsis überwiegend gut geerdet. Nein, es waren jene Momente, da seine hintergründige Misanthropie sich Bahn bricht und in rascher Aufwallung ein paar recht platte Kulturkritiken zum Besten gibt. Da wir aber vermuten, dass eine gewisse Verachtung menschlich-zivilisierter Hybris eine Vorbedingung war, sein abenteuerliches Unternehmen so konsequent und scharfsichtig voranzutreiben, wollen wir uns darüber nicht lange beklagen.
Sein Buch bleibt davon unbeleckt ein einzig- und grossartiges, geistreiches, stimulierendes. Wir raten zur unbedingten Lektüre all jenen, denen an einem einfühlsamen und gerechten Umgang mit unserer erweiterten Familie gelegen ist. Wir raten sie weiterhin all jenen, die sich ganz grundsätzlich an einer gescheiten und stimmungsvollen Naturschilderung ergötzen können. Und wir raten sie schliesslich - da die Erforschung des fremden Bewusstseins eine umso schärfere Verortung des eigenen begünstigt - auch noch all jenen, die sich in ihrem Leben schon einmal fragten: Wer bin ich?
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