Autor | Felix Ekardt |
Verlag | oekom |
Umfang | 156 Seiten |
ISBN | 978-3-96006-843-0 |
Preis | Fr. 18.70 (UVP) |
Felix Ekardt bereitet uns mit seinem kleinen Büchlein ein belastbares Fundament zur Ausforschung dieser Frage. Der Leiter der deutschen Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimaschutz nähert sich ihr disziplinübergreifend an (und fordert diese Transdisziplinarität dann betreffs ihrer differenzierten Betrachtung ganz allgemein ein), wobei er zudem die Antriebskräfte persönlicher und gesellschaftlicher Veränderung so weit als möglich zusammenführt. Dieses ambitionierte Vorgehen erhebt seine kompakte Analyse zu einem höchst willkommenen Beitrag zur Nachhaltigkeitsdiskussion.
Einen Grundgedanken seiner Argumentation können wir gleich vorwegnehmen. Felix Ekardt misstraut allen eindimensionalen Erklärungsmustern des Wandels, und damit auch den vermeintlich einfachen 'Revolutionsrezepten'. Technischer Fortschritt, Kapitalismuskritik und Degrowth, Bildung... All diese Schlagworte erkennt er als wichtige, aber im jeweiligen Einzelfall überschätzte Motoren des Vehikels Nachhaltigkeit. Die Beweisführung hierzu tritt er an, indem er die Potentiale dieser Lösungsvorschläge kontinuierlich herausarbeitet und dabei dann auch gleich ihre Grenzen deutlich aufzeigt. Damit steht er längst nicht allein da. Der Stimmen, die bezüglich einer komplexen Problemstellung auch eine vielschichtige Herangehensweise beantragen, sind einige. Was seine Wortmeldung aus dem diesbezüglichen Kanon heraushebt, ist seine Grenzüberschreitung vom persönlichen zum gesellschaftlichen Wandel - und in Folge dessen die Einführung eines im Diskurs um die Nachhaltigkeitstransformation unterrepräsentierten Begriffs. Normalität.
Wir Menschen sind nicht nur Gewohnheitstiere, sondern auch Kreaturen der Konformität. Da mögen wir noch so individualistisch, aussergewöhnlich, unangepasst sein: Wir werden dennoch gern hervorheben, wie (und weshalb) dieses oder jenes Gebaren "nicht normal" sei. Das ist insofern gut, als es Zubehör unserer Fähigkeit zur Kooperation ist. Es ist schlecht, wenn es uns trotz besseren Wissens davor zurückschrecken lässt, unseren Fleischkonsum zu reduzieren, auf ein Auto zu verzichten oder unsere Vorurteile zu überprüfen. Felix Ekardt zieht eine Linie von dieser Einpassung in die normative Kulturprägung zu den politischen und wirtschaftlichen "Sachzwängen" und der institutionellen Unduldsamkeit gegen Versuche, den vorgeprägten Pfad zu verlassen.
Die Aufgabe, die sich stellt, ist mit der Etablierung neuer Technologien oder einer Diffamierung der Gier der Eliten nicht überwunden. Damit sich nachhaltige Verhaltensweisen erst mal einschleichen können, bedarf es einer Verschiebung der Empfindung dieser Normalität. Felix Ekardt, sich der emotionalen Herausforderungen dieser Aufgabe bestens bewusst, empfiehlt hier eine Salamitaktik, die genau jene Verunsicherungen und Trotzreaktionen meidet, die von brachialen Forderungen nach Revolution, Wende und Paradigmenwechsel ausgelöst werden. Im letzten Teil seines Buches entwirft er Richtlinien, wie eine solche voranschreitende Korrektur auf gesellschaftlicher wie auf persönlicher Ebene gefördert werden kann.
Betreffs der Leserfreundlichkeit dieses Entwurfs ist zu sagen: Felix Ekardt versteht sich auf einen gewandten und packenden Schreibstil. Nicht ganz so leicht fällt es ihm, dabei den intellektuellen Anspruch und sein Bedürfnis nach fachlicher Präzision herunterzuschrauben. Will heissen: Trotz unserer berufsbedingten Gewöhnung an kompakte Wortverschachtelungen waren wir verschiedentlich gezwungen, einen Satz mit den Lippen nachzuformen. In Versuchung, darüber zu seufzen, kamen wir nicht. Es ist nicht nur ein wertvoller Beitrag zu unseren Nachhaltigkeitsbemühungen, den uns Felix Ekardt hier vorlegt; es ist auch eine persönlich bereichernde Lektüre voller "Ha!"- und "Aha"-Erlebnisse.
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