Buch «Unsere Vögel»

Buch «Unsere Vögel»

Am Beispiel unserer heimischen Vogelwelt führt uns Peter Berthold tief hinein in den besorgniserregenden Themenkomplex um Biodiversität und die schwindenden Tierbestände ganz allgemein – und weiter zu erfolgversprechenden neuen Lösungen, wie wir mit dem Artenschutz endlich ernst machen könnten.

Autor Peter Berthold
Verlag Ullstein
Umfang 331 Seiten
ISBN 978-3-550-08122-4
Preis Fr. 27.50 (UVP)

 

Wer - ausgehend vom Titel dieses Buches - erwartet, es hier mit einem beschaulichen Spaziergang durch die heimische Vogelwelt zu tun zu kriegen, wird diese Erwartung schnell enttäuscht finden. Es geht darin zwar tatsächlich massgeblich um Vögel, und diese sind es auch, die dem süddeutschen Ornithologen und Verhaltensforscher Peter Berthold zuvorderst am Herzen liegen. Jedoch sein Buch nimmt sie erst einmal nur als Ausgangspunkt, um an ihrem attraktiven Exempel ein paar scharfe Attacken zu reiten: Gegen den nachlässig in Kauf genommenen Verlust an Artenvielfalt, gegen einen Artenschutz, der seine Ziele mit den eingesetzten Mitteln offensichtlich nicht erreichen kann, und gegen die Vorstellung, dass wir damit hilflos vor einer unumkehrbaren Entwicklung stehen.

Im ersten Teil seines Buches erhebt Peter Berthold deshalb ein paar Daten. Er zeigt uns auf, wie es nicht nur die Vielfalt der Arten ist, die uns besorgniserregend wegschrumpft, sondern ebenso die Bestände der noch vorhandenen Spezies. Was wir hier vor einiger Zeit anhand der Spatzen zu zeigen versuchten, dafür findet er ein noch profunderes Beispiel: Während in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts die Windschutzscheiben von Autos nach der Fahrt von kollidierten Insekten geradezu zugekleistert waren - der Rezensent beobachtete das auch noch in den 80ern - so bleiben sie heute strahlend sauber. Dass mit einem solchen Rückgang im reinen Bestand - 80% an Vögeln in den letzten zweihundert Jahren, ebensolche 80% an Insekten in den letzten fünfundzwanzig - auch die Folgen für die restliche Fauna nicht ausbleiben, das beweist er uns in Form unmissverständlicher Zahlen ebenso wie im lebendigen Zusammenhang, und er forscht nach den Ursachen. Dabei scheut er sich dann nicht, neben den üblichen Verdächtigen wie Pestiziden, ausgeräumter Landschaft, Klimawandel oder Verkehr auch die "heikleren" Kandidaten zu diskutieren - wie etwa die unverhältnismässige Anreicherung nicht nur des Internets, sondern auch unserer Ökosysteme mit dem mächtigen Predator Katze.

Wofür wir all diese verschiedenen Viecher und Pflänzchen denn überhaupt brauchen, das beantwortet er uns als nächstes. Er äussert sich dabei ebenso deutlich, wie er mit den bisherigen Artenschutzbemühungen ins Gericht geht: Halbherzig nennt er diese, wo nicht nachgerade kindlich und irrational. Das mag manchem engagierten Naturschützer nicht recht schmecken, doch die spärlichen Erfolge sprechen für sich. Es geht Peter Berthold jedoch selbstverständlich nicht darum, hier noch zusätzliche Frustration anzureichern, sondern ein trittsicheres Fundament zu legen für die zweite Hälfte seines Buches. In dieser sammelt er seine praktische Erfahrung und ebensolchen Vorschläge, wie dem Bestandseinbruch und Artenschwund mittels neuer Naturschutzkonzepte doch noch beizukommen wäre. Da versorgt uns dann der Initiator der Aktion "Jeder Gemeinde ihr Biotop" mit einer Fülle an dienlichen Tipps und ergänzenden Informationen zur rechten Anlage eines Naturgartens oder eben eines wirksamen Biotops, mit einer stichhaltigen Argumentation für die Ganzjahres-Vogelfütterung und vielen weiteren, jeder willigen Naturschützerin menschenmöglichen Anstössen zu einem alltäglichen, aktiven Artenschutz.

Es liegt Peter Berthold also an einer flächendeckenden Natur- und Artenpflege mittels vernetzter Biosphären und unterstützender Versorgungsleistungen, und darin dann an Tatkraft vor theoretischer Erwägung. Wir könnten uns höchstens betreffs einiger Begriffsdefinitionen mit ihm streiten, wenn wir beispielsweise in dem "Naturschutz"-Bewusstsein, das er vor dem "Umweltschutz" favorisiert, ebenjene kosmetischen Ersatzhandlungen und Verkennungen der ökologischen Zusammenhänge angelegt sehen, die er einklagt. Ebenfalls finden wir wenig Regung in uns, ihn für die seltenen Gelegenheiten zu tadeln, da er so ganz genau weiss, was alle anderen im Artenschutz falsch machen - nur kurz erwähnt sollen sie sein. Sein Buch ist ganz insgesamt ein kompetentes, konstruktives und absolut zu Recht streitbares. All jenen Naturfreundinnen, die sich wie eingangs angedeutet von dem Buch einen erbaulichen Streifzug durch unsere heimische Vogelfauna erhofften, fügt Peter Berthold dann zu guter Letzt noch einen genau solchen an. Damit ergänzt er die beeindruckende Sachkenntnis und umsichtige Lösungsorientierung seines Buches noch um die letzte Zutat, uns zu ermächtigen, mit dem Erhalt der Biodiversität endlich ernst zu machen: Dem Ansporn, hier selbst tätig zu werden.

 

Rezension: Sacha Rufer


 

 

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