Autor | Esther Kern / Sylvan Müller / Pascal Haag |
Verlag | AT |
Umfang | 319 Seiten |
ISBN | 978-3-03800-904-7 |
Preis | Fr. 59.-- (UVP) |
Es ist jetzt schon längere Zeit her, dass wir hier ein Kochbuch zu diesem besonderen Thema vorstellen konnten. Das mag uns als ein Hinweis darauf dienen, dass dieses noch nicht ganz in der Mitte der kulinarischen Gesellschaft angelangt ist. Welches Thema? Der Verzehr von Gemüse, und da dann nicht nur jener Teile, die uns Mutter als die "Guten" empfahl, sondern der Verzehr des Gemüses vom Blatt bis zur Wurzel, from leaf to root, ratzeputz, mit Stumpf und Stiel, und so weiter. Erlaubt sei die Frage: Weshalb sollte man das tun?
Die Tischrunde, die die Food-Journalistin Esther Kern, der Vegi-Koch Pascal Haag und der Fotograf Sylvan Müller zur Einleitung ihres Buches zusammenrufen, erörtert speziell auch diese Frage. Wir stossen da dann nicht zuletzt auf ökologische Gründe - die schädlichen Folgen der intensiven Landwirtschaft, die durch die Lebensmittelverschwendung noch unnötig gesteigert werden, dürften ja bekannt sein -, aber auch auf allerlei weitere wie den Respekt vor der Pflanze und dem Bauern, der wir sie verdanken, Experimentierfreude und das schlichte geschmackliche Erlebnis. Bereits hier erfahren wir auch, dass unsere Vorstellungen davon, welche Teile eines Gemüses essbar bzw. ungeniessbar sind, öfter mit Gewohnheit oder übernommenem Statusgebaren zusammenhängen als mit ernstzunehmenden gesundheitlichen Risiken.
Was sich also mit Karottenkraut, Grünkohlrippe oder Wassermelonenschalen so alles anstellen lässt, ist das Lehranliegen dieses Kochbuchs. Und ein Kochbuch bleibt es dann auch hauptsächlich: Eine breite Auswahl von mal bestechend simplen, mal etwas kniffligeren Rezepten zu Snacks, Haupt- und Vorspeisen oder Drinks legt davon Zeugnis ab. Diese Rezepte sind - der Ausbruch aus der gewohnten Zutatenliste verlangt es - durchwegs originell, aber doch nicht sooo originell, dass wir uns zur Eingewöhnung ständig auf Mutproben einlassen müssten. Da dürfte es dann sogar ungewohnter sein, dass sich die Aufteilung des Buches nicht an der Speisenfolge, sondern an den verwendeten second cuts orientiert: Die einzelnen Kapitel heissen deshalb nicht "Vorspeise" oder "Dessert", sondern "Strunk und Herz" oder "Stiel und Rippe". Instruktiv aufgewertet werden sie weiterhin von kurzen Interviews mit Vorreitern der "Leaf to Root"-Bewegung aus ganz Europa - mit einer jungen, wilden Köchin neben etablierten Sterneköchen, einem Bauern, einer Sensorikerin und einem Lebensmittelchemiker. Den Argumenten der Einleitungsrunde fügen diese jeweils noch ihre ganz persönlichen Sichtweisen und Erfahrungen hinzu. Den abschliessenden Schliff gibt dem Buch dann die Bebilderung durch Sylvan Müllers geschmackssichere, urchige Food-Fotografien.
Derweil sind natürlich nicht alle unsere Bedenken betreffs der Geniessbarkeit küchenhistorisch extravaganter Pflanzenteile einzig auf Gewöhnung oder gedankenlose Bequemlichkeit zurückzuführen. Manchmal steht dahinter auch durchaus eine leidvolle Erfahrung. Deshalb gibt uns Esther Kern im letzten Viertel des Buches noch ein Kompendium zu den verwendeten Pflanzen und ihrer Teile zur Hand, um uns zu Fragen ihrer Unbedenklichkeit oder eben Giftigkeit aufzuklären und zu ihrer richtigen Verwendung anzuleiten. "Ohne Anspruch auf Vollständigkeit" geruht sie ihre diesbezügliche Rechercheleistung abzumildern; uns indessen erscheint diese schon ganz schön umfassend. Nur ein Grund mehr, dem prächtigen, sinn- und einfallsreichen Kochbuch unsere rückhaltlose Empfehlung angedeihen zu lassen - ungeachtet der Gefahr, darüber mit der Autorin unserer momentanen Freitagsserie zum Nutzen des Komposts in Konflikt zu geraten.
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