Autor | Thomas Thiemeyer |
Verlag | Arena |
Umfang | 352, 369 & 412 Seiten |
ISBN | 978-3-401-60167-0 / -60168-7 / -60169-4 |
Preis | Fr. 21.90, 21.90 & 24.50 (UVP) |
Die Gruppe von Austauschstudenten wird während ihres Fluges über den Atlantik nicht nur im Raum, sondern auch in der Zeit versetzt. Sie findet sich in einer Zukunft wieder, in der die Pflanzen die menschlichen Städte unaufhaltsam unter sich begraben und die Tiere offensichtlich zu ungeahnten Fertigkeiten der Kooperation und des Bewusstseins gelangt sind. Das startet für die zusammengewürfelte Clique um Jem, Lucie und Marek einen Überlebenskampf, der sie nicht nur zu den letzten versprengten Enklaven der menschlichen Zivilisation führt, sondern auch immer mehr in den Mittelpunkt jenes Konflikts, der diese Zivilisation ursprünglich vernichtet hat. Dabei müssen die hart geprüften Jugendlichen dann feststellen, dass die hinter dieser Attacke stehende, sehr irdische Intelligenz möglicherweise nicht gar so bösartig ist, wie es ihnen ihre Instinkte vorspiegeln. Sie beginnen zu ahnen, dass früher oder später der Zeitpunkt kommen wird, da sie sich für eine Seite entscheiden müssen... Oder gibt es vielleicht noch einen weiteren, eine dritten Weg?...
Gut. Nachdem wir nun mit dieser kurzen Einführung in die Handlung der Jugendbuch-Trilogie von Thomas Thiemeyer allen gröberen Spoilern ausgewichen sind, besinnen wir uns kurz und stellen fest, dass diese Anstrengung vielleicht gar nicht nötig gewesen wäre. Denn wenn Thomas Thiemeyer eines beherrscht, dann einen Spannungsbogen zu erzeugen, der sich auch von kleineren Vorhersehbarkeiten nicht aus dem Tritt bringen lässt. Das gelingt ihm nicht zuletzt ob einer zweiten seiner erzählerischen Fertigkeiten: Uns nämlich eine Gruppe handelnder Charaktere vorzusetzen, die sich - ob nun im Einzelnen sympathisch oder weniger - unbedingt glaubwürdig darstellt und uns deshalb nah ans Herz wächst. Das würzt er dann noch mit lebendigen Dialogen, überraschenden Wendungen und seinem trefflichen Gespür dafür, wann welche Auflösung der untergründigen Mysterien seiner Erzählung uns nicht befriedigt aufseufzen, sondern nur umso tiefer in die sich dadurch neu eröffnenden Rätsel stürzen lässt. Daneben meinten wir zwar noch im ersten Band (Die Stadt der Überlebenden), der Autor bemühe sich etwas zu eifrig darum, sich seiner jugendlichen Leserschaft als ein Verbündeter anzudienen. Doch nachdem sich auch das schnell und spurlos verloren hatte, genossen wir die zwei Folgebände (Der Turm der Gefangenen und Die Quelle des Lebens), ohne von irgendwelchem Gemäkel an seinen erzählerischen Qualitäten abgelenkt zu werden.
Was nun natürlich nicht heissen soll, dass uns auf den über tausend Seiten dramatischer Odyssee durch eine Zukunft irgendwo zwischen Arkadien und Apokalypse nicht hin und wieder eine kleinere Irritation behelligt hätte. Genau einmal zu oft stellte sich da beispielsweise ein vermeintliches Unglück einer der Heldinnen als ein eigentlicher Glücksfall heraus. Und während Thomas Thiemeyer sich ja durchaus darauf berufen darf, dass sich die wissenschaftliche Befestigung seines Weltentwurfs im Notfall auch mal den Erfordernissen der Story zu beugen habe, fiel es uns schwer, diese Entschuldigung für seine unkritische Nacherzählung des Märchens gelten zu lassen, der Mensch nutze "nur 10 Prozent seines geistigen Potentials". Als wäre es glaubhaft, die Evolution fördere die Entwicklung eines so energieaufwändigen Organs wie unseres Hirns als einer Art Nice-to-have-Accessoire... Dabei ist uns aber ebenfalls bewusst, dass solche Sensibilitäten vielleicht einem Sachbuch angemessen wären. Sie einem belletristischen Werk anzukreiden - egal ob nun einem "Erwachsenen"- oder einem Jugendroman - darf man gern als zimperliches Gezänk abtun.
Es sind bei alledem dennoch nicht zuerst die oben gelobten Fertigkeiten des Autors, die seiner Trilogie schon nach Lektüre des ersten Bandes einen Platz unter unseren Buchtipps reserviert hielten - auch wenn diese eine Empfehlung durchaus schon rechtfertigen. Bedingt durch die thematische Ausrichtung unserer Webseite kommt dieses Verdienst seiner Botschaft zu. Thomas Thiemeyer diskutiert in seiner Erzählung unsere menschliche Beziehung zu unserer Mitwelt ehrlich, sogar differenziert, ohne darüber jemals Tempo und Unterhaltungswert opfern zu müssen. Er mag die Bedrohlichkeit der ungezähmten Natur nicht verniedlichen, während er im Laufe der Abenteuer seiner Heldinnen zur Akzeptanz ihres Eigenwerts vorstösst. Die Vision, die er uns schliesslich vorstellt, ist eine der Sorgfalt und der Kooperation mit den irdischen Lebensgrundlagen - gänzlich beraubt zwar der ängstlichen Selbstversicherung der menschlichen Vorherrschaft, aber dafür bereichert um die tröstliche Gewissheit der Eingebundenheit in diese Natur und eine wiedergewonnene Lebenslust. "Möge die Macht mit uns sein" sagt Jem zum Abschluss der drei allzu rasch gelesenen Bände. Nicht: "Möge die Macht unser sein". Wir - die Leserinnen und Leser - stimmen ihm da dann gewiss nicht mehr leichtfertig zu. Aber wir stimmen ihm zu.
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