Buch «Flora»

Buch «Flora»

3000 Jahre Pflanzendarstellung in der Kunst

Pflanzen sind – neben uns selbst – die wohl beliebtesten Motive menschlichen Kunstschaffens. Der Prachtband spürt diesem kreativen Gesamtwerk über den Zeitraum von 3000 Jahren nach. Zu viel Stoff für zu wenig Buch? Lassen Sie sich überraschen…

 Autor Victoria Clarke (Hrsg.)
 Verlag Deutsche Verlags-Anstalt DVA
 Umfang 351 Seiten
 ISBN 978-3-421-04051-0
 Preis Fr. 75.-- (UVP)

 

Was haben wir Menschen nur mit den Blumen? Ihre Farben und Formen, ihre Düfte und ihr süsser Nektar sind ja nicht für uns gemacht, sondern für ihre sexuellen Handlanger, die Insekten. Eine evolutionäre Erklärung unserer durch alle Kulturen und Zeitalter anhaltende Zuneigung zu ihnen erschwert sich dadurch. Dennoch fehlen die Blümchen - neben Mama und Papa, dem Haus und der Sonne - auf kaum einer Kinderzeichnung, und sie bleiben dann auch über die weiteren Lebensalter unvermindert präsent - auf Fensterbänken, Kalendern, Suppenschüsseln, Abendkleidern... Ist diese Fixierung vielleicht ein Beleg der spirituellen Inspiriertheit unserer ästhetischen Passionen? Oder ein Überbleibsel unserer ferneren Vergangenheit als pflanzenfressende Fellkugeln?

Wie dem auch sei. Blüten gefallen und faszinieren uns: Ein Phänomen, das den Verlagen nicht verborgen blieb. Sie werfen deshalb diese Neigung bedienende Bildbände in stattlicher Anzahl auf den Markt, die es gleichwohl nur selten zu einer Ehrung hier unter unseren Buchtipps bringen. Der Verdacht, dass dieser spezielle Bildband also mehr zu bieten hat als profane ästhetische Stimulation, darf sich daran schon einmal emporranken. Wir stützen ihn dann, indem wir festhalten, dass wir es mit diesem Prachtband zusätzlich mit einem anschaulich bildenden Streifzug durch die Historie zu tun kriegen. Wir bewegen uns dafür durch Zeit und Raum - von altägyptischen Wandbildern über japanische Holzdrucke zu spätmittelalterlichen Stundenbuch-Illustrationen. Wir expedieren durch die Geschichte der Botanik und der Wissenschaften überhaupt - mit Leonardo da Vinci, Charles Darwin, Maria Sibylla Merian oder Ernst Haeckel - und natürlich genauso durch die Kunstgeschichte: Da begegnen wir Albrecht Dürer ebenso wie Emily Dickinson, Georgia O'Keeffe oder Fiona Strickland. Wer darüber schliesslich die Nase voll hat von Zeichnungen und Gemälden, kann dem fotografischen Schaffen nachspüren, von Pionieren wie William Henry Fox Talbot zu Brassaï und Man Ray bis Robert Mapplethorpe usw... Oder sie bzw. er kann sich in die Erforschung künstlerischer Verfahren, Ausdrucksformen und Materialien vertiefen. Da präsentieren sich das gemeisselte Relief ebenso wie die hingeworfene Grafitskizze oder der 3D-Druck.

Dabei geht es jetzt nicht nur um Blumen und Blüten. Es geht um die Pflanze, ihre Darstellung, Anziehung und Erforschung überhaupt. Die 312 sorgsam ausgewählten Kunstwerke ergründen sie in all ihren Aspekten - ästhetischen, nutzbringenden und phänomenologischen vorerst, mit der Erfindung der Mikroskopie dann immer tiefer hinein ins faszinierende oder skurrile Detail. Man möchte da gerne denken, dass sich dieser wuchernden Fülle irgendeine Form der Gliederung, der Komposition und Ordnung geradezu aufdränge; eine chronologische etwa, eine klassifikatorische oder thematische. Allein: Der fast vollkommene Verzicht auf eine solche Gliederung macht ein gutes Stück des Reizes des Bildbands aus. Die Gemälde, Bildtafeln, Illustrationen und Fotografien finden sich wild durch die Zeiten, Zwecke und Kulturen zusammengewürfelt mit dem einzigen Hinweis, dass die einander gegenüberliegenden Seiten sich in irgendeiner Form ergänzen oder befruchten sollen - wobei uns diese Zusammenhänge längst nicht in jedem Fall klar wurden. Doch das ist kein Makel, sondern ein Gewinn. Wir finden uns davon belebt und zur vertiefenden Neugier angestachelt, Lektüre und Betrachtung hüpfen aufmerksam durch das Buch, Interesse und Inspiration bleiben ebenso wach und frisch wie der schlichte Genuss.

Ach ja, der Genuss. Während wir da, ein Stück weiter oben, in unserem umwelterzieherischen Hochmut die ästhetische Stimulation noch als "profan" bezeichneten, sollten wir jetzt wohl Abbitte leisten. Es muss sich natürlich niemand darüber genieren, sich dem opulenten Prachtband unter diesem Aspekt zu nähern. Tatsächlich ist es ein durchaus gerechtfertigtes Motiv, dies zu tun: Schade wäre es, würde dieses Füllhorn an kreativer Inspiration nur verkopften Banausen wie uns in die Hände fallen. Wir meinen ja nur... Er gefällt und bereichert und erquickt eben auch uns. So: Empfehlung!

 

Rezension: Sacha Rufer


 

 

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