Buch «Nashörner»

Buch «Nashörner»

Zu Nashörnern gibt es nicht so furchtbar viele Bücher. Und das ist doch eigentlich erstaunlich, betrachtet man der Rhinozerosse schiere körperliche Präsenz und die Faszination, die sie über die Menschheitsgeschichte auf sich zogen. Nichtsdestotrotz: Ein sehr schönes kleines Büchlein gibt es jetzt.

 Autor Lothar Frenz
 Verlag Matthes & Seitz
 Umfang 127 Seiten
 ISBN 978-3-95757-473-2
 Preis Fr. 22.90 (UVP)

 

Lothar Frenz hat uns schon einmal auf sich aufmerksam gemacht mit einem Buch, das uns trotz so einiger seither verstrichener Jahre und Lektüren noch in bester Erinnerung ist. Seinen sympathischen Erzählton und Humor setzt der Biologe nun dazu ein, uns mit der Natur- und Kulturgeschichte des Nashorns vertraut zu machen. Den Schwerpunkt setzt er dabei auf die Trittspur, die das zweitschwerste Landtier durch die europäische Mythologie und Geschichte, Kunst und Literatur zog. Da erfahren wir dann beispielsweise, woher jenes Nashorn stammte, das Dürer auf seinem berühmten Holzdruck verewigte. Wir hören die Stimmen der enttäuschten voraufklärerischen Afrika- oder Asienreisenden: Das soll ein Einhorn sein?! Und wir verfolgen das ruhmvolle Schicksal der Jungfer Clara, die damals durch ganz Europa reiste, um Könige zu becircen, Festanlässe aufzupeppen, auf lebensgrossen Porträts verewigt und vom ehrfürchtigen Fussvolk begafft zu werden: Einer Panzernashorndame mit dem Marketingetat eines Models.

Wir lernen dabei: Es passt einiges rein in so einen Nashornleib - speziell auch an menschlichen Projektionen. Bei Ionesco verwandeln sich Menschen in rabiate, schnaufende Nashörner, weil man das eben gerade so macht; das Nashorn als Symbol von Massenbewegungen. Hemingway indessen sieht, wieder einmal, seine Männlichkeit bedroht angesichts der Nashorntrophäe eines Freundes. Brachiale Bestie, langmütiges Überbleibsel einer fernen Urzeit, groteskes Traumbild, all das war das Rhinozeros bereits, und mehr. Lothar Frenz ist es indessen vor allem eines: Ein persönliche Leidenschaft. Und so tastet er hinter all diesen Zeugnissen und Spuren des Nashorns in Historie und Zeitgeschichte nach seinem wahren Wesen. Er stellt uns die verschiedenen Rhinozerosarten nach ihrem Verbreitungsgebiet einzeln vor, fragt nach ihrem Verhalten in freier Wildbahn und besucht auch die Tierpflegerin Julia und ihre Nashörner im Zoo Münster. Es entsteht ein intimes und breitgefächertes Porträt des mächtigen, imposanten Säugetiers... Obwohl. Mächtig?

Bei all diesen Impressionen vom hornbewehrten Dickhäuter geht natürlich das Bild nicht vergessen, das sich uns aktuell bietet: Vom Nashorn als dem einstmaligen, vorsichtigen Triumph des Artenschutzes, jetzt in kurzer Zeit zunichte gemacht durch Wilderei, Habitatsverlust und Aberglauben. Hier beweist Lothar Frenz wieder die bedachtsame Mischung aus Nüchternheit und erschüttertem Engagement, die uns von seinem letzten Buch im Gedächtnis blieb. Er neigt nicht zu schnellen Schuldvorwürfen, marschiert an den Sündenböcken stracks vorbei zur ernsthaften Diskussion der Gründe des momentanen Massakers und zu praktikablen Lösungsansätzen. Dass sich dadurch alles etwas komplexer und vielschichtiger darstellt... wen wundert's? Es ist aber diese Geisteshaltung, die im Artenschutz überhaupt erfolgreich sein kann.

Fazit: Was haben wir hier? Man ist intuitiv versucht, es als eine Liebeserklärung an das Nashorn zu umreissen, einfach weil viel Liebe drinsteckt: Vom Autor, aber auch vom Verlag, der seinen 36sten Band der Reihe Naturkunden mit vielen tollen Abbildungen und einem angenehmen Schriftbild versehen hat. Wenn nur nicht so viele "Liebeserklärungen" auf dem Buchmarkt herumflögen - an New York, Edelspirituosen, Filzpantoffeln - die dann kaum etwas anzielen als die gegenseitige Versicherung eines übereinstimmenden Lifestyles. Da hat das Bändchen doch mehr zu bieten. Wir nennen es also einen - pfff - Essay? Ach was. Wir nennen es ein fabelhaftes Buch, schnell gelesen und viel dabei gelernt, mit Esprit und Botschaft. Verschenken darf man es gern trotzdem, mit unserer herzlichen Empfehlung obendrauf.

 

Rezension: Sacha Rufer


 

 

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