Buch «Atlas unserer Zeit»

Buch «Atlas unserer Zeit»

50 Karten eines sich rasant verändernden Planeten

Karten nehmen wir dann zur Hand, wenn wir der Orientierung bedürfen. Oder auch nicht, in Zeiten von GPS. Überhaupt bedürfen wir der Orientierung, so scheint's, momentan wohl weniger in der Landschaft als im Dickicht der Herausforderungen, vor denen wir stehen. Alastair Bonnets Atlas versorgt uns deshalb mit Karten, die uns genau das ermöglichen.

 Autor Alastair Bonnett
 Verlag DuMont
 Umfang 223 Seiten
 ISBN 978-3-8321-9930-2
 Preis Fr. 38.50 (UVP)

 

Atlasse sind Werkzeuge für den grossen Überblick. Mutmasslich besitzen die meisten Schweizer Haushalte einen solchen; einen geografischen nämlich, der zeigt, wo sich das Entlebuch im Verhältnis zu Nigeria, Tadschikistan und Wisconsin befindet. Doch Atlasse können mehr. Insbesondere im letzten Jahrzehnt revolutionierten Satellitenaufnahmen und die angewachsenen Datenverarbeitungskapazitäten die Möglichkeiten der Kartografie, Übersicht auch abseits der Abbildung von geografischen Landmarken herzustellen - und sie nutzt ihn reichlich. Durchaus also ein Zeitpunkt, über die Anschaffung eines zweiten, eines thematischen Atlasses nachzudenken. Alastair Bonnets Kartensammlung ist ein mächtiges und attraktives Argument dafür.

Der britische Sozialgeograf Alastair Bonnet unterteilt seine Sammlung von fünfzig thematischen Weltkarten in drei Kapitel. Der erste Teil konzentriert sich auf die geowissenschaftlichen Facetten unseres Planeten. Betreffs unserer speziellen Interessengebiete ist hier nahezu jede Ansicht aufschlussreich: Die übersichtliche Darstellung der durchschnittlichen Sonneneinstrahlung ebenso wie jene der Temperaturanomalien, der Luftverschmutzung, der Müllbelastung der Ozeane oder des Flugverkehrs. Diese Tendenz der Kartenwerke, ausdrücklich auch im Sinne unseres Fokus auf Ökologie und Umweltschutz aussagekräftige Lektionen bereitzuhalten, setzt sich ungebrochen fort: Im zweiten Teil, überschrieben mit "Mensch und Tier", ebenso wie im dritten, der sich mit der Globalisierung, mit Waren- und Migrationsströmen oder Ernährungsfragen auseinandersetzt.

So originell und ausgefallen manche der behandelten Thematiken auch wirken mögen - betreffs der globalen Verteilung essbarer Insekten oder amerikanischer Fastfoodketten etwa - erlauben sie doch stets faszinierende Rückschlüsse und gar nicht selten eine wertvolle Modifikation der eigenen Ansichten darum, wie es um die Welt und ihre Einwohner bestellt ist. So etwa lässt uns jene Karte, die die Ziele von Retweets bei Twitter abbildet, grundlegend darüber reflektieren, für welche Teile der Welt wir uns hauptsächlich interessieren. Oder wir wundern uns - betreffs des Privatbesitzes von Handfeuerwaffen - kein bisschen, während wir nach dem nordamerikanischen Kontinent schielen, runzeln dann aber verwirrt die Stirn, als unser Blick nach Mitteleuropa wandert.

Nun ist der grosse Überblick zwangsläufig meist nur ein grober. Dazu tritt die Notwendigkeit der Hinterfragung der zugrundeliegenden Daten bzw. der Schwerpunkte ihrer Aufarbeitung. Manchenorts schimmern dann auch die persönlichen Gewichtungen des Sozialgeografen Bonnet durch, wenn er etwa die Waldnutzungsproblematik nicht im (an der lebendigen Welt orientierten) zweiten Teil seines Atlasses aufarbeitet, sondern im ersten, geologischen. Insgesamt aber glückt es ihm vorbildlich, unzulässigen Verallgemeinerungen und übermotivierten Auslegungen entgegenzuwirken, indem er in seinen informativen, unterhaltsamen Kommentaren zu den Kartenwerken die Datenquellen offenlegt, Interpretationen und Spekulationen kennzeichnet und uns damit eine sachgerechte Orientierung dahingehend ermöglicht, was aus den schönen, eindrucksvollen Karten herauszulesen ist - und was nicht.

Der Atlas von Alastair Bonnet vollführt bei alledem einen kleinen Zaubertrick. Er verspricht uns angesichts einer Welt, deren unübersichtliche Komplexität immer stärker als eine Zumutung erlebt wird, einen umfassenden Überblick - und erfüllt dieses Versprechen dann auch in so vielen Zusammenhängen. Durch die Hintertür fördert er indessen das persönliche Vermögen zur Auseinandersetzung mit dieser Komplexität, indem er uns fassbare Handleitungen in sie hinein verschafft. Das nicht nur zum Nutzen unserer persönlichen Kenntnisse um unseren Planeten, sondern auch der Erarbeitung möglicher Lösungen für die Probleme, vor denen wir darauf stehen. Er hebt damit die Anforderung an Kartenwerke - die Orientierung in der Welt - auf jene erweiterte Stufe, derer wir momentan vordringlich bedürfen.

 

Rezension: Sacha Rufer


 

 

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