Buch «Ein Stück Land»

Buch «Ein Stück Land»

Mein Leben mit Pflanzen und Tieren

John Lewis-Stempels Buch über seine Wiese unten am Bach an der Grenze zu Wales ist charmant, es ist sinn-, lehr- und geistreich. Muss man noch mehr sagen? Ach ja: Es ist zudem ein treffliches Mittel gegen Weihnachts- und alle restjährigen Formen von Stress.

 Autor John Lewis-Stempel
 Verlag DuMont
 Umfang 285 Seiten
 ISBN 978-3-8321-9863-3
 Preis Fr. 30.90 (UVP)

 

Man suche sich ein Stück Land, beobachte es über einen Jahreslauf und schreibe derweil ein Buch darüber. Das ist keine neue Idee. Es ist sogar so wenig eine neue Idee, dass wir in den letzten Jahren gleich drei Bücher mit ähnlichem Setting gelesen haben, darunter eines, das sich stabil in unserer ewigen Bestenliste hält. Und das ist der erste Grund, weshalb es dieses Buch des britischen Farmers John Lewis-Stempel etwas schwerer hatte, sich unsere Zuneigung zu sichern: Konkurrenz. Es gibt da noch zwei andere Gründe, zu denen kommen wir dann gleich.

Das Stück Land jedenfalls, das sich John Lewis-Stempel für sein Unternehmen aussuchte, ist eine Wiese unterhalb seines Hofes Trelandon im englischen Herefordshire, hart an der Grenze zu Wales. Der Wintermond steigt gerade über den Merlin's Hill, als er uns anfangs des Jahres zum ersten Mal auf sie hinausführt. Was es mit dem Merlin's Hill auf sich hat, werden wir im Laufe der Lektüre erfahren. Das ist dann auch gleich das erste Merkmal der konkurrenzfähigen Eigenständigkeit des Buches: John Lewis-Stempel beobachtet nicht nur die Pflanzen und Tiere auf seiner Wiese, verschafft uns nicht nur Einblick in das kleine Ökosystem am Ufer eines Baches. Er unternimmt dabei weite Ausflüge in die Vergangenheit und die ländliche Geschichte des umliegenden Landstrichs. Muss uns diese Herefordshire'sche Historie interessieren? Nein. Sie wird es einfach nur, unweigerlich.

John Lewis-Stempel ist also Bauer. Er ist, in seinem Selbstverständnis, ein solcher, der sich an einer Landwirtschaft "vor der Erfindung des DDT" orientiert. Doch auch er wusste mit der betreffenden Wiese erst mal wenig anzufangen - er trieb seine Schafe darauf, wenn nichts Besseres verfügbar war. Sie wächst ihm gleichwohl ans Herz mit ihren Blumen, deren Namen er längst vergessen hatte, den Dachsen und Spinnen im Disteldickicht, ihrer Überflutungsgefahr und ihrem bedauerlichen Mangel an Klee. Diese Liebe inspiriert und bereichert ihn und verführt ihn dazu, aus heiterem Himmel Pastoralgedichte zu rezitieren oder uns seine Gedanken zu klassischer englischer Naturliteratur auseinanderzusetzen. Wir sind damit beim zweiten Grund, weshalb uns das Buch nicht von Beginn weg bekehrte: John Lewis-Stempels Schreibstil. Der plätschert ja ganz angenehm dahin, dachten wir, mit seinem versonnenen Lächeln auf den Lippen und der Bereitschaft, sich unvermittelt in ein beliebiges Detail zu stürzen, aber... Wir raten diesbezüglich jetzt, dem Autor über das erste Kapitel hinaus Zeit zu geben. So lange brauchte er in unserem Fall, uns aus der Hast des Alltags und der überreizten Versessenheit nach den "grossen Gefühlen" herauszuschälen - hinein in einen gemächlicheren Rhythmus und eine feinere Wahrnehmung, in der ein Bienensummen als ein beseeligendes Signal des Lebens an unsere betäubten Ohren dringen darf. Dass er das schafft, und dass er uns dann sicher in dieser Ruhe hält, während wir das Schwinden der Buchseiten mit wachsender Bestürzung beobachten, das ist seine unaufdringliche Kunst.

Der dritte Grund für unsere anfängliche Skepsis: Wir sind keine Fans der Tagebuchform, in die der Autor sein bereicherndes Naturwissen, seine behutsamen Beobachtungen und schlendernden Reflexionen rahmt. Sie riecht uns nach Faulheit. Nachdem wir jetzt aber Anteil nahmen an seinem harten bäuerlichen Tagewerk, an der schuldbewussten Mühsal des Schafescherens und der rauschhaften Mühsal des Sensens, sind wir bereit, ihm dies leichthin zu verzeihen. Vor allem aber darum, da die Tagebuchform in seinem Fall keine abrupten Themenbrüche provoziert, kein Holpern und Stolpern, wie es ihr allzu oft eigen ist. Er gestaltet die täglichen Einträge stattdessen wie Strophen in einem längeren Gesang.

Wenn ein Buch sich durch gleich drei unserer starrsinnigen Vorbehalte durchgräbt, ohne Krümelchen davon zu hinterlassen, ist es ein besonderes Buch. John Lewis-Stempel gelingt das, indem er uns von einem respektvollen Umgang mit dem Land nicht predigt - allen Pastoralgedichten zum Trotz - sondern uns in diesen Respekt und die zugehörige Achtsamkeit sanft und amüsiert hineinlotst. Wir würden sein Buch in jeder Jahreszeit empfehlen - doch jetzt halt auch mit einem berechnenden Schielen nach Weihnachten. Da soll ja, sagt man uns, ein gewisser Bedarf nach charmanter, dabei möglichst noch geist-, lehr- und sinnreicher Literatur bestehen…

 

Rezension: Sacha Rufer


 

 

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