Autor | Harald Meller / Thomas Puttkammer (Hrsg.) |
Verlag | Konrad Theiss |
Umfang | 447 Seiten |
ISBN | 978-3-8062-3120-5 |
Preis | Fr. 55.10 (UVP) |
Wir zögern, dieses Buch hier als den Begleitband einer Ausstellung vorzustellen. Die entsprechende, titelgebende Sonderausstellung findet gerade im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle (Saale) ihre Besucher, doch das im Zusammenhang damit entstandene Buch bewährt sich auch weit davon entfernt als ein beeindruckendes und einsichtsreiches Werk. Der wuchtige Band darf also als unbedingt eigenständig gelten. Wuchtig ist er in Mass und Gewicht, vor allem aber in Themenumfang, Wissensgehalt und Bildgewalt. Wenn überhaupt etwas von seiner Anbindung an einen Event zu spüren ist, dann höchstens in seiner erspriesslichen Orientierung an einem Laienpublikum oder der gefälligen Reichhaltigkeit seiner Illustrationen, Fotografien und Schaubilder.
Aber beginnen wir von vorn. Themen des Buches sind Evolutionsgeschichte und Prähistorie in ihrem speziellen Zusammenhang und ihrer Abhängigkeit von Klimaveränderungen: Nicht weniger als 66 Millionen Jahre Erd- und Klimageschichte. Uns eine nachvollziehbare Übersicht über diese enorme Zeitspanne zu verschaffen, findet sich eine imposante Riege von Archäologen, Paläontologen und Anthropologen zusammen und profiliert sich damit, eine ausufernde Fülle von Daten und Erkenntnissen zu so übersichtlichen wie kurzweiligen Artikeln zu verdichten. Da geht es (nach einer Einführung in das Grundwissen um Klimageschichte und Klimafaktoren) erst einmal um die Entwicklung der Tier- und Pflanzenwelt vor dem Auftritt des Menschen. Die folgende Erkundung der Schritte der Menschwerdung führt uns in eine gewissenhafte Ausforschung des steinzeitlichen Menschen und weiter zum Einfluss des Atmosphärengeschehens in historischer Vergangenheit.
Die tiefen Zeitengründe werden ausgelotet anhand eindrücklicher archäologischer Fundstücke und spannender Fragestellungen: Was wuselte in Mitteleuropa so an Tieren herum, damals, lange bevor der Mensch hereinwackelte? Was hat den inspirierten Primaten evolutionär bewogen, sich auf seine Hinterbeine zu machen? Und wie und was genau hat er dann eigentlich gejagt, der Mensch der Steinzeit, und weshalb hat er das auf Höhlenwände gemalt? Und so weiter. Das Klimageschehen spielt sich bei der Erörterung dieser Fragen nicht immer in den Vordergrund, bleibt aber als Entwicklungsmotor im Hintergrund stets präsent. Das ermöglicht es uns nicht nur, die Klimafaktoren in ihrer Einwirkung auf Evolution und Ökologie deutlich zu erfassen, sondern sie als Einflusskraft im Zusammenspiel mit anderen Umweltfaktoren auch gleich ausgewogen zu gewichten.
Es waren indessen weder die Informationsfülle noch deren Ausgewogenheit, die uns als erstes ins Auge sprangen, als wir das Buch aufschlugen. Das waren die reich eingestreuten Illustrationen von Karol Schauer. In ihnen verbindet sich sein beträchtliches artistisches Talent mit seiner intimen Fachkenntnis zu einer so unerhört lebendigen und faszinierenden Darstellung entschwundener Lebenswirklichkeit, dass wir uns fast genötigt sehen, dem Ausspruch vom "Bild, das mehr sagt als tausend Worte" zuzustimmen. In jedem Fall aber sind seine Zeichnungen und Gemälde allein schon ein gewichtiges Argument, dem Buch sein verdientes Teil an Aufmerksamkeit zu widmen.
Der Band schliesst mit einer gelehrten Spekulation dazu, was uns blüht, wenn es zukünftig im Fortgang des anthropogenen Klimawandels entweder kälter oder wärmer wird. Dass sich diese - vor dem erdgeschichtlichen Hintergrund ebenso beträchtlicher wie stetiger Klimaschwankungen - etwas zurückhaltender formuliert als in der üblichen zeitgenössischen Berichterstattung, ist durchaus angemessen: Schliesslich fokussiert der Blick der Evolutionswissenschaften nicht ausschliesslich auf den Menschen. Überhaupt dürfte bis dahin klar geworden sein, wie verwundbar sich unsere Zivilisation und, trotz all unserer Anpassungsfähigkeit, die Menschheit an sich gegenüber den Klimabedingungen zeigt. Darauf ein grosses Trara anzustimmen, ist nicht die Zielsetzung des Buches. Die ist es, unsere Kenntnisse um die genauere Wirkung der Klimagewalten im evolutionären und ökologischen Zusammenhang und am erdgeschichtlichen Horizont auf ein verlässliches Fundament zu stellen und auch einem sachfernen Publikum fasslich und konkret zu machen. Das meistert das Buch so einprägsam und attraktiv, dass wir jetzt gar nicht recht wissen: Ins Regal zu den Standardwerken zur Klimageschichte? Oder doch auf den Kaffeetisch?
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