Autor | Johann G. Zaller |
Verlag | Deuticke |
Umfang | 239 Seiten |
ISBN | 978-3-552-06367-9 |
Preis | Fr. 27.60 (UVP) |
Wir sind sehr positiv überrascht. Die engagierte Abrechnung des österreichischen Ökologen Johann G. Zaller mit unserer globalen Pestizid(un)kultur zeigt sich als ein faktenorientiertes, von bedachtsamer Beweisführung getragenes Buch. Überrascht sind wir davon, weil sein Titel doch durchaus marktschreierische Qualitäten hat. Daran nährte sich unser Verdacht, wir bekämen es hier mit einer jener auf wackligen Beweisgründen in die Faktenresistenz stolpernden Argumentationen zu tun, wie sie sich unlängst in der Glyphosat-Debatte oft in den Vordergrund schoben. Aber nein, der an der Wiener Universität für Bodenkultur lehrende Forscher kann nicht nur auf satte Vertrautheit mit der weitläufigen Fachliteratur und wichtige eigene Forschungserfahrung zurückgreifen, sondern legt dann auch sein Hauptaugenmerk betreffs der Kritik am blühenden Geschäft mit Pestiziden auf die massgeblichen und belastbaren Tatbestände.
Gut, um das gleich aus dem Weg zu haben: Ganz verzichten mag er auf die landläufigen Argumentationsstrecken nicht. So legt er es in dem kurzen Abschnitt seines Buches, das die erdenklichen Gesundheitsfolgen von Pestiziden auf den Menschen erörtert, recht konzentriert darauf an, uns allen den Schlaf zu rauben. Nur um das dann alles in ein paar abschliessenden Zeilen unisono und fundamental zu relativieren: Zu wenig, zu spät, dachten wir, und ärgerten uns kurz. Doch das mochte keinen bleibenden Schatten über die Lektüre zu werfen. Johann G. Zallers hauptsächliche, entscheidende Kritik an Pestiziden zielt anderswohin. Zum Boden nämlich.
Das Problem, wie er es uns faktenkundig und breit recherchiert darlegt, ist folgendes: All die Herbizide, Insektizide, Fungizide usw. werden in Tonnenlast weitflächig, durcheinander und vorsorglich ausgebracht. Die Dosierungsempfehlungen der Hersteller erfolgen bestenfalls halbherzig, und sie sind im landwirtschaftlichen Alltag auch schwer zu befolgen. So gelangen die Pestizide meistenteils ziellos in einen Boden, in dem sie nicht nur ihre Zielorganismen, sondern den Lebensraum schädigen. Von da schwemmen sie in die Gewässer, reichern sich in Fauna und Flora an, regnen auf Dächer und Gärten, begünstigen Resistenzen, kurz: Schädigen die landwirtschaftlichen Erträge längerfristig und all die umgebenden Biotope gleich mit. Wobei dann verblüfft, wie schlecht diese Folgen auf Nichtzielorganismen und die Nebenwirkungen der in Zusammenspiel verwendeten Pestizid-Potpourris eigentlich erforscht sind. Deshalb zielte des Autors eigene Forschung genau da hin: Auf die erweiterten Auswirkungen von Pestiziden im erweiterten ökologischen Kontext. Und daher rührt dann seine Beurteilung der Gefahr, die von den Pestiziden ausgeht, als einer in Reichweite und Zukunftsbelang immer noch unterschätzten.
Jetzt ist Johann G. Zaller eine bevorzugende Liebe zu den eigenen Studien nicht abzusprechen, und ebenso reissen ihn seine Erfahrungen mit Agrochemiekonzernen manchmal aus der strikten Objektivität. Das aber selten genug, dass es uns hier allenfalls zur Randnote taugt, und ganz ohne seine Botschaft zu beschädigen: Dass unser Umgang mit den potenten Giftstoffen, die wir unter beschönigenden Bezeichnungen wie "Pflanzenschutzmittel" grosszügig ausstreuen, bestenfalls kurzsichtig, wahrscheinlich aber verheerend ist. Um uns nicht in resignierender Gemütslage aus den seinem Buch so reichlich innewohnenden, beunruhigenden Erkenntnissen und Einblicken zu entlassen, schliesst er es mit einem Strauss Ideen und Ermutigungen zu einer pestizidfreien, mindestens aber drastisch pestizidreduzierten Agrarwirtschaft. Ohne die Komplexität der Verquickungen von Wirtschaft, Politik und Konsumentenanspruch zu scheuen, gibt er da klare Handleitung, wo und wie sich Veränderungen anstossen lassen.
Ob es ihm dadurch gelingt, die von ihm befürchtete Schwermut beim Schliessen seines Buches abzuwenden? In unserem Fall: Nicht ganz. Doch wir wollen deutlich seiner Selbsteinschätzung widersprechen, in dem Falle sein Ziel verfehlt zu haben. Manchmal ist es zur zielführenden Ernüchterung und zur Aktivierung von Problembewusstsein einfach notwendig, die unerfreulichen Tatsachen unbeschönigt vorgeführt zu bekommen. Wobei es Johann G. Zaller dann ja gelingt, sich aller wohlfeilen Anklagen gegen die Landwirtschaft zu enthalten und die problematischen Praktiken – so zahlreich diese auch sein mögen – zielführend präzise zu benennen. So entsteht ein kenntnisreiches, ausgewogenes Buch, das wir ohne längeres Abwägen als das beste laientaugliche Buch zu Agrarpestiziden loben können, das uns seit längster Zeit begegnete.
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