Autor | Marcel Hänggi |
Verlag | Rotpunktverlag |
Umfang | 222 Seiten |
ISBN | 978-3-85869-776-9 |
Preis | Fr. 22.-- (UVP) |
Zehn Jahre ist es her, dass der Wissenschaftsjournalist Marcel Hänggi in seinem Buch "Wir Schwätzer im Treibhaus" uns alle - ganz zu Recht - ebensolche zieh. Seither hat das Geschwätz ein paar handfestere Ergebnisse gezeitigt. Ökostrom. Paris. Effiziente Waschmaschinen. Velowege. Und doch: Der Energieverbrauch steigt und steigt, Gletscher schmelzen, die Riffe sterben…
Wenn Marcel Hänggi sich in seinem neuen Buch darum verdient macht, uns die ganze Klimawandelthematik auf ihren Kern herunterzubrechen und frisch zur Brust zu geben, so geht es ihm nicht darum, die erzielten Erfolge kleinzureden. Er zielt dann dennoch erst mal auf sie. Mit pointierter Deutlichkeit führt er uns etwa vor, was wohl geschehen wäre, hätte man damals statt der Abschaffung der Sklaverei die Durchsetzung von Labels des Slave Stewardship Council SSC und die Entwicklung menschenfreundlicher Peitschen betrieben. Er tut das ein bisschen aus Spass an der Polemik - denken wir mal, denn wir hatten ihn -, vor allem aber, um zum erwähnten Kern der Treibhausgas-Problematik vorzustossen: Der Verbrennung fossiler Energieträger. Öl, Gas, Kohle: Schluss damit. So einfach ist's, im Kern, und darum muss es gehen. Natürlich ist ihm dabei klar, dass nicht alles, was einfach ist, dann auch leicht ist. Er wendet deshalb den Löwenanteil seines Buches dafür auf, die Mechanismen, die dem Ausstieg im Weg stehen, sachkundig darzulegen und zu überwinden.
Es ist ihm da schon mal dafür zu danken, dass er in der Erläuterung der Wirkungen und Komplexitäten des Klimawandels oft nur einen Satz aufwendet, wo andere Autoren drei benötigen. Sein Buch taugt damit sogar als eine kurze, aber erstaunlich differenzierte Einführung in die aktuelle Klimadiskussion, die sich dann zusätzlich auch noch kurzweilig und flüssig liest. In der Hauptsache jedoch sucht er nach neuen Wegen - und stellt damit die alten in Frage, spezifisch auch solche, die sich im landläufigen ökologischen Bewusstsein schon fest etabliert haben. Dazu zählen jetzt weniger seine kritische Zerlegung der Wirtschaftwachstums-Dogmatik oder seine Analyse der Rolle der Wissenschaften im klimapolitischen Entscheidungsprozess, ganz gewiss aber seine engagierte Auseinandersetzung mit den bisherigen Strategien der Klimagasreduktion: Effizienz, Substitution und Suffizienz. Er klagt hier ein, dass sich die meisten politischen Willensbezeigungen auf die frohe Botschaft der Effizienzsteigerung berufen, ganz ungeachtet des doch so offensichtlichen Rebound-Effekts, der aller Effizienz zum Trotz den Energieverbrauch weiter steigen lässt. Er fordert also: Suffizienz.
Verzicht. Sind Sie, innerlich, zusammengezuckt? Kein Grund, sich dafür zu schelten, so geht es uns allen. Was aber, wenn wir ihn gar nicht als Verzicht wahrnehmen würden? Marcel Hänggi legt uns in verschiedenen Zusammenhängen dar, wie das funktionieren könnte. Geradezu brillant ist sein kleiner Exkurs zur Mobilität. Aber ganz allgemein hat er uns Entwürfe zu bieten, die uns den radikalen Fokus darauf, Öl, Gas und Kohle im Boden zu lassen - oder, im Falle der Schweiz, nicht ins Land -, verblüffend erträglich gestalten. Es geht ihm dabei, wie gesagt, nicht um die Verdammung der bisherigen Lösungen. Selbst die eitleren Ideen des Geoengineering referiert er mit kritischer Offenheit. Er besteht indessen darauf - und da ist er ja beileibe nicht der einzige - dass all dies nicht genügen wird, wollen wir die Erderwärmung tatsächlich begrenzen. Das geht nur mittels eines Weniger, Kleiner, Genügsamer.
Und so geht er dann in die Vollen. Sein aufschlussreiches und regsames Buch bisher, so bemerken wir, war erst die Vorbereitung für seinen im Untertitel versprochenen Vorschlag an die Schweiz, die Einfuhr fossiler Energieträger sukzessive auszusetzen. Er legt uns dafür ein mit einigen Mitstreitern abgefasstes Volksbegehren zur Ergänzung der Bundesverfassung um diese Zielsetzung vor, samt vorgeschlagenem Wortlaut und Übergangsbestimmungen. Diese Mitstreiter, so die Hoffnung, mögen sich zu einer Volksbewegung ergänzen. Und das hoffen doch auch wir, ungeachtet der ein, zwei Fragen, die sich noch regten. Um Kritik und Einwände wird er sich nicht sorgen müssen, wir indessen möchten diese Besprechung seines cleveren, konstruktiven und mutigen Beitrags zur Bekämpfung der Erderwärmung nicht darauf enden lassen. Sondern auf unsere Feststellung, dass dieses Buch nicht nur in die Hände eines Rezensenten von Umweltbüchern gehört. Es gehört in die Hände aller Schweizerinnen und Schweizer.
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