Autor | Eva Meijer |
Verlag | Matthes & Seitz |
Umfang | 174 Seiten |
ISBN | 978-3-95757-536-4 |
Preis | Fr. 34.80 (UVP) |
Kommunikation ist nicht gleich Sprache. Wenn der niederländischen Philosophin Eva Meijer etwas vorzuwerfen ist, dann, dass sie diese beiden Begriffe nicht klar trennt. Andererseits ist das genau ihr Punkt. Im Rückzugskampf der Rechtfertigungen der Sonderstellung des Menschen in der Natur wird die Behauptung des Fehlens tierischer Sprachfertigkeiten noch wenig angefochten. Diese Voreingenommenheit lenkt dann aber auch die Forschungen zur tierischen Kommunikation dahin, nicht nach genuinen Sprachäusserungen von Tieren zu fragen: Die Überzeugung verunmöglicht eine dementsprechende Interpretation und bestätigt sich fortgesetzt selbst. Eva Meijer kehrt jetzt diese Prämisse auf den Kopf und behauptet: Tiere sprechen. Ihr Buch erweist sich als eine intelligente und anregende Reflexion dazu, was sich unter Anwendung dieser These an gewinnbringenden Erkenntnissen und Entdeckungen gewinnen lässt.
Um uns - und dieses "uns" dürfen gern naturwissenschaftliche und philosophische Laien sein - diesbezüglich erst mal mit den notwendigen Wissensfundamenten vertraut zu machen, führt sie uns in die Grundlagen der Sprachforschung und in die zoologischen Erkenntnisse zur tierischen Kognition kurz ein. Oder anders gesagt: Um uns den Geist dahingehend zu öffnen, andere Sprachformen als die von unserem spezifisch menschlichen Sprachverständnis definierten zu erkennen, bringt sie uns mit ihnen zusammen. Das geschieht so kurzweilig und orientiert am spannenden praktischen Beispiel, wie es während ihrer ganzen kurzen Denkschrift Gewohnheit bleibt. Wir lernen da nicht nur Schimpansen und Delfine kennen, denen wir eine gediehene Kommunikationsfertigkeit ja schon eine Weile zutrauen, sondern bereits auch Elefanten, Meisen oder Präriehunde. Daran angelehnt identifizieren wir die Funktionen und Merkmale sprachlicher Kommunikation - und bemerken, wie die Grenzen zwischen unserer Artikulation von Worten und den Ton-, Bewegungs-, Mimik- oder Duftsignalen anderer Spezies weithin zerfliessen.
Diesen gewonnenen Grund im Sprachverständnis weitet Eva Meijer im Folgenden weiter aus; auf Tintenfische, Bienen, Ratten, Hunde oder Pferde, stets angeleitet von den aktuellen Kenntnissen um deren Sozialverhalten, Morphologie oder Emotionalität. Zu weit? Manchmal, vielleicht. Dies dann aber nur, wenn wir ihr zweites wesentliches Anliegen nicht gelten lassen: Dass der Erfahrungshorizont anderer Spezies nicht in einem rundweg anderen Spektrum verortet werden muss als unserem eigenen. Dass also Thomas Nagels berühmte Frage danach, wie es ist, eine Fledermaus zu sein, keine existenziell unbeantwortbare bleiben muss. Da mag es wohl sein, dass wir nie genau erfahren, wie sich die Welt im Schallbild der Fledermaus zeigt und anfühlt. Doch die gemeinsame evolutionäre Herkunft in einer gemeinsamen Umwelt unter ähnlichen Herausforderungen könnte zumindest Möglichkeiten der Verständigung eröffnen.
Und darum geht es Eva Meijer am Ende: Um Verständigung. Ihr lesefreundlicher Bericht ist voll von Beispielen der Verständigung und Kooperation unter und zwischen den Spezies: Mensch und Hund, Hund und Hund, Zackenbarsch und Muräne, Papagei und Mensch. Da anthropomorphisiert sie dann gewiss so manche Verhaltensäusserung von Tieren. Das stört aber in ihrem Bestreben einer Annäherung und ihrem vollen Bewusstsein um die Kniffligkeit solcher menschlicher Bedeutungszuschreibungen wenig. Es gelingt ihr insgesamt, der zoologischen Verhaltensforschung eine vielversprechende neue Zielrichtung schlüssig zu argumentieren: Die reflektierte, aber auch mutige Ausforschung tierischer Sprachformen und Sprachstrukturen. Allen Nicht-Zoologen muss über diesem Anspruch indessen nicht schwindlig werden: Wir lesen hier ein ausserordentlich kluges und charmantes Buch, das uns unsere irdischen Mitbewohner in einem neuen Licht als faszinierende, eigenwürdige Subjekte nahebringt.
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